Akte Weiß: Das Geheimlabor, Tödliche Spritzen
Cassidy. Ein gewaltiger Name für eine so kleine Frau.” Er lächelte. „Sie war etwa einszweiundfünfzig, vielleicht neunzig Pfund. Es hat mir immer Angst gemacht, wie klein sie wirkte. Fast zerbrechlich. Besonders gegen Ende, als sie an Gewicht verloren hatte. Sie schien zu nichts weiter als einem großen braunen Augenpaar geschrumpft zu sein.”
„Sie muss jung gestorben sein.”
„Mit achtunddreißig. Es war so unfair. Ihr ganzes Leben hatte sie alles richtig gemacht. Nie geraucht, kaum ein Glas Wein angerührt. Sie aß nicht einmal Fleisch. Nachdem wir ihre Diagnose erfahren hatten, versuchten wir herauszufinden, wie das passieren konnte. Dann fiel es uns ein. Sie wuchs in einer Kleinstadt in Massachusetts auf. Direkt unterhalb eines Atomkraftwerks.”
„Du meinst, das war es?”
„Man kann es nie wissen, aber wir haben uns umgehört. Und wir haben erfahren, dass in ihrer Nachbarschaft mindestens zwanzig Familien jemanden mit Leukämie hatten. Es dauerte vier Jahre, und wir mussten vor Gericht gehen, bis eine Ermittlung eingeleitet wurde. Das Ergebnis war, dass seit Eröffnung des Kraftwerks gegen alle Sicherheitsvorschriften verstoßen worden war.”
Cathy schüttelte ungläubig den Kopf. „Und das Kraftwerk durfte die ganze Zeit betrieben werden?”
„Niemand wusste davon. Die Verstöße wurden verschwiegen.”
„Das Kraftwerk wurde geschlossen?”
Er nickte. „Da lebte Lily nicht mehr. Alle diese anderen Familien … nun, wir waren von dem Kampf erschöpft. Auch wenn wir manchmal das Gefühl gehabt hatten, mit dem Kopf gegen eine Wand zu rennen, wussten wir, dass wir es tun mussten. Für alle Lilys der Welt.” Er blickte zu den Scheinwerfern hoch. „Und hier bin ich und renne noch immer mit dem Kopf gegen Wände. Nur dass es sich diesmal wie die Chinesische Mauer anfühlt. Und die Leben, die auf dem Spiel stehen, sind deines und meines.”
Ihre Blicke trafen sich. Cathy saß absolut still, während er leicht ihre Wange streichelte. Sie ergriff seine Hand, drückte sie an ihre Lippen. Seine Finger schlossen sich um die ihren, gaben ihre Hand nicht frei. Sanft zog er sie an sich. Ihre Lippen trafen zu einem zögernden Kuss aufeinander, der in Cathy das Verlangen nach mehr erzeugte.
„Tut mir Leid, dass du da hineingezogen worden bist”, murmelte er. „Du und Sarah und diese anderen Cathy Weavers.”
„Es war nicht deine Schuld. Du tust nicht, was Jack getan hätte und viele andere. Du stellst dich nicht blind gegenüber den Dingen, die bei Viratek vor sich gehen.”
„Ich bin nicht wie Jack. Ich muss an die Tausende von Menschen denken, die zu Schaden kommen könnten.”
„Glaubst du, so viele könnten sterben?” fragte sie.
„Mein Freund Jerry muss das geglaubt haben. Niemand kann den Ausgang vorhersagen. Die Welt hat noch nie die Auswirkungen eines voll geführten biologischen Krieges gesehen.”
„Sind biologische Waffen denn so gefährlich?”
„Wenn du an Viren ein paar Gene veränderst, die Ansteckungsrate erhöhst, ebenso die Todesrate hinaufsetzt, ist das Ergebnis katastrophal. Sogar schon die Forschung ist riskant. Ein einziges Versehen bei den Sicherheitsmaßnahmen im Labor, und Millionen von Menschen könnten ungewollt infiziert werden. Und es gäbe keine Behandlungsmethoden. Das ist jene Art von weltweiter Katastrophe, an die ein Wissenschaftler nicht denken will.”
„Das Jüngste Gericht.”
Er nickte, und sein Blick war erschreckend vernünftig.
Sie schüttelte den Kopf. „Ich verstehe nicht, wieso das erlaubt ist.”
„Das ist es ja nicht, aber es gibt immer einen Irren, der diese Waffe haben will, die sonst niemand besitzt.”
Irgendwo in dem Gebäude erklang Pfeifen, dann klapperte es an Hickeys Tür. Etliche Magazine fielen auf den Fußboden.
Victor war direkt hinter Cathy, als sie in den Vorraum lief. Obenauf lag ein Umschlag mit ihrer Handschrift. Sie griff danach und riss ihn auf. Die Filmrolle rutschte heraus. Triumphierend lächelnd hielt sie den Behälter hoch. „Da hast du deinen Beweis!”
„Hoffentlich. Wollen sehen, was wir auf dem Film haben. Wo ist die Dunkelkammer?”
„Neben dem Ankleideraum.” Sie reichte ihm den Film. „Kannst du ihn entwickeln?”
„Ich habe mich mit Amateurfotografie beschäftigt. Ich …” Er stockte, als das Telefon auf dem Schreibtisch zu klingeln begann. „Ignoriere es!”
Als sie den Vorraum verließen, schaltete sich der Anrufbeantworter ein. Hickeys Stimme erklang. „Hier ist das Studio von
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