Akte Weiß: Das Geheimlabor, Tödliche Spritzen
sie, dass es eine Lüge war. Sie sah es in seinen Augen. Und sie sah noch etwas in seinem Blick, das ihr den Atem raubte.
„Ich … ich will nicht …”
Sie stand einfach da und wartete auf die Wahrheit.
Was sie nicht erwartete, war der Kuss. Er begann mehr aus Verzweiflung als aus Leidenschaft, aber sobald ihre Lippen aufeinander trafen, wurde er zu viel mehr. Das war eine Vereinigung von Seelen, eine Vereinigung, die auch nicht unterbrochen wurde, wenn die Umarmung endete, selbst wenn sie einander nie wieder berühren sollten.
Als sie sich endlich voneinander lösten, war Victors Geschmack noch frisch auf Cathys Lippen.
„Siehst du?” flüsterte sie. „Ich hatte recht. Du willst mich ja doch bei dir haben.”
Er lächelte und berührte ihre Wange, „Ich bin kein guter Lügner.”
„Und ich verlasse dich nicht. Du brauchst mich. Du kannst dein Gesicht nicht herzeigen, aber ich kann es. Ich kann Bustickets kaufen und Besorgungen machen und …”
„Was ich wirklich brauche, ist ein neues Gesicht.” Er seufzte und sah sie verzweifelt an.
„Himmel, was bin ich für ein Idiot!” Sie stöhnte auf. „Ein neues Gesicht! Komm, wir haben nicht viel Zeit …”
„Cathy?” Er folgte ihr durch den Durchgang. Sie blieben beide stehen und suchten die Straße nach Polizisten ab. Es waren keine in Sicht. „Wohin gehen wir?” flüsterte er.
„Wir suchen ein Telefon.”
„Aha. Und wen rufen wir an?”
Sie warf ihm einen eindeutig schmerzlichen Blick zu. „Jemanden, den wir beide kennen und lieben.”
Jack packte seinen Koffer, als das Telefon klingelte. Er griff nach dem Hörer und bereute es auf der Stelle.
„Jack?”
Er seufzte. „Sag mir, dass ich mir deine Stimme nur einbilde.”
„Jack, ich werde schnell sprechen, weil dein Telefon vielleicht abgehört wird …”
„Was du nicht sagst!”
„Ich brauche mein Köfferchen. Das ganze Drumherum. Und etwas Bargeld. Ich schwöre, ich zahle dir alles zurück. Hol es sofort für mich. Hinterlege das Zeug, wo wir die letzte Szene von ,Cretinoid’ gedreht haben. Du kennst die Stelle.”
„Cathy, warte einen Moment! Ich stecke schon genug in Schwierigkeiten!”
„Eine Stunde. Länger kann ich nicht warten!”
„Es ist Stoßzeit! Ich kann nicht!”
„Es ist der letzte Gefallen, um den ich dich bitte.” Es entstand eine Pause. Dann fügte sie leise hinzu: „Bitte.”
Er stieß den Atem aus. „Das ist das absolut letzte Mal!”
„Eine Stunde, Jack, ich werde warten.”
Ecke Fifth und Mission Street trafen sich die Obdachlosen. Niemand kümmerte sich dort um die zwei heruntergekommenen Gestalten, die in dem Eingang einer Pfandleihe kauerten.
„Es ist fünf nach sechs”, murmelte Victor. „Die Stunde ist um.”
„Lass ihm Zeit.”
„Wir haben keine Zeit mehr.”
„Wir schaffen noch immer den Bus.” Cathy spähte die Straße entlang, als könne sie ihren Ehemann heraufbeschwören. Aber nur ein städtischer Bus tauchte auf.
„Nun seht euch mal das an!” ertönte ein gedämpftes Brummen, gefolgt von einem allgemeinen bewundernden Murmeln der Menge.
„Hey, Süßer!” rief jemand, als sich die Gruppe an der Ecke versammelte. „Was für einen Stoff hast du denn verkauft, dass du dir einen solchen Schlitten leisten kannst?”
Zwischen den Männern hindurch erspähte Cathy blitzendes Chrom und Burgunderrot. „Geht weg von meinem Wagen!” verlangte eine jammernde Stimme. „Ich habe ihn frisch wachsen lassen!”
„Der Süße hat sich bestimmt verfahren. Ist in die falsche Straße eingebogen, richtig?”
Cathy sprang auf. „Er ist da!”
Sie und Victor drängten sich durch die Menge zu Jack, der seinen schimmernden Jaguar bewachte.
„Nicht … nicht anfassen!” fauchte er einen Mann an, der mit einem schmierigen Finger über die Motorhaube strich. „Warum könnt ihr Leute denn nicht losziehen und euch einen Job suchen?”
„Einen Job?” rief jemand. „Was ist das?”
„Jack!” rief Cathy.
Jack stieß einen Seufzer der Erleichterung aus, als er sie erspähte. „Das ist der letzte Gefallen. Der absolut letzte.”
„Wo ist es?” fragte sie.
Jack ging zu dem Kofferraum, wo er eine andere Hand beiseite schlug, die über die burgunderrote Flanke des Jaguars streichelte.
„Hier! Der ganze Mist.” Er holte den Make-up-Koffer heraus und reichte ihn ihr. „Abgeliefert wie versprochen. Jetzt muss ich aber los.”
„Wohin?” rief sie.
„Ich weiß es nicht.” Er kletterte in den Wagen. „Irgendwohin, ganz
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