Akte X
komm mit.«
Jody eilte zu ihr, während Vader davonschoß und herumtollte. »Halte den Hund an deiner Seite«, mahnte Scully. »Es ist gefährlich hier. Das Gebäude kann jederzeit einstürzen. «
Aus der Ruine drang das leise Ächzen und Knarren des geschwärzten Gebälks, an dem die Zeit und die Schwerkraft zerrten. Einige tragende Wände waren noch intakt, obwohl sie aussahen, als könnten sie jeden Moment zusammenbrechen. Ein Teil des Bodens war in die Kellergeschosse gestürzt, doch an einer Seite waren die aus Betonblöcken errichteten Mauern stehengeblieben und fast unversehrt, sah man von der Rußschicht und dem Anstrich ab, der in der Hitze Blasen geworfen hatte.
Vor dem Gebäude standen Bulldozer wie Leviathane aus Metall neben Bauwagen und Metallspinden. Ein Löffelbagger wartete darauf, die Überreste von DyMar dem Erdboden gleichzumachen. Scully glaubte ein Geräusch zu hören und näherte sich vorsichtig den Bulldozern. Neben dem schweren Gerät
waren Treibstofftanks aufgestellt. Alles war für den Abriss vorbereitet - und sie fragte sich, ob die Verschwörer, die laut Dorman hinter dem Anschlag steckten, für die ungewöhnliche Eile verantwortlich waren.
Dann entdeckte Scully einen aufgebrochenen Metallspind. Das Metall um das Schloss war vom Brecheisen zerkratzt und glänzte silbern, und dicht darüber warnte ein Schild: Vorsicht: Sprengstoff. Plötzlich wirkte die Dunkelheit noch bedrohlicher, die Stille noch unnatürlicher. Die Luft war kalt und ein wenig feucht und von einem beißenden Brandgeruch gesättigt.
»Jody, bleib dicht bei mir«, sagte sie.
Ihr Herz hämmerte, all ihre Sinne waren plötzlich hellwach. Scharfer Schmerz flackerte hinter ihrer Stirn, und sie hoffte, dass sie jetzt kein Nasenbluten bekam. Scully musste Jody beschützen; sie konnte sich keine Schwäche erlauben. Dieses Treffen zwischen dem Jungen und Jeremy Dorman war gefährlich. Aber sie würde es durchstehen.
Sie hörte einen lauter werdenden Motor, das Knirschen von Rädern auf dem Kiesbelag der Zufahrt, das Klappern eines altersschwachen Fahrzeugs, das sich den Hügel hinaufkämpfte. Scheinwerferstrahlen tanzten durch die Nacht.
»Bleib bei mir.« Sie legte ihre Hand schützend auf Jodys Schulter, und die beiden blieben vor dem ausgebrannten Gebäude stehen.
Es war ein alter roter Lieferwagen mit abblätterndem Lack und Rostflecken an beiden Seiten. Das Chassis ächzte und knarrte, als die Fahrertür auf gestoßen wurde und Mulder ausstieg.
Sie hatte schon viele ungewöhnliche Dinge mit Fox Mulder erlebt, aber ihren stets korrekt gekleideten, Anzug und Krawatte tragenden Partner aus einem schrottreifen alten Lieferwagen steigen zu sehen, gehörte zu den ungewöhnlichsten Erfahrungen.
»Schön, Sie wiederzusehen, Scully«, sagte Mulder.
Eine größere Gestalt zwängte sich aus der Beifahrertür. Ihre Augen hatten sich an das fahle Mondlicht gewöhnt, und trotz der Dunkelheit konnte sie erkennen, dass mit der Art, wie der Mann sich bewegte, etwas nicht stimmte. Seine Glieder schienen zusätzliche Gelenke zu haben, Erschöpfung und Schmerz lasteten schwer auf ihm.
Jeremy Dorman hatte vorher schon übel ausgesehen, aber jetzt schien sich sein Zustand noch verschlechtert zu haben.
Scully stellte sich schützend vor Jody. »Sind Sie in Ordnung, Mulder?«
»Im Moment geht's mir gut«, sagte er.
Dorman trat einen Schritt auf Mulder zu, und er wich zurück, um ihm nicht zu nahe zu kommen. Der breitschultrige Mann hielt einen Revolver in der Hand... aber die Waffe schien der am wenigsten bedrohliche Aspekt an ihm zu sein.
Scully zog ihre eigene Waffe. Sie war eine gut Schützin. Entschlossen richtete sie die 9mm direkt auf Jeremy Dorman. »Lassen Sie Agent Mulder sofort frei«, befahl sie. »Mulder, gehen Sie weg von ihm.«
Er machte zwei, drei Schritte, bewegte sich aber langsam, vorsichtig, um Dorman nicht zu provozieren.
»Ich fürchte, ich kann ihm seine Waffe nicht zurückgeben«, sagte Dorman. »Ich habe sie angefasst, wissen Sie, und jetzt ist sie nicht mehr zu gebrauchen.«
»Und ich habe außerdem mein Jackett und mein Handy verloren«, fügte Mulder hinzu. »Ich wage gar nicht an den Papierkram zu denken, der mich erwartet, wenn ich die Antragsformulare für den Ersatz von persönlichen Gegenständen, die in Ausübung des Dienstes abhanden gekommen sind, ausfüllen muss.«
Jody trat zögernd vor und stellte sich dicht neben Scully.
»Jeremy, warum machst du das?« fragte er. »Du bist
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