Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Akte X

Akte X

Titel: Akte X Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruinen
Vom Netzwerk:
ihren Schlafplätzen, während die Moskitos, deren Blutdurst erst in der kühleren Abendluft erwachte, in dichten Wolken aufstiegen.
    Tief im Inneren der Pyramide des Kukulkan jedoch war vom Verstreichen der Zeit nichts zu spüren. Cassandra setzte ihre Erkundungen fort.
    Seit sie und Kelly gemeinsam die seit Jahrhunderten versiegelte Außentür aufgebrochen hatten – äußerst behutsam, um das Mauerwerk oder die Steingravuren nicht zu beschädigen –, hatte die Expeditionsleiterin den größten Teil ihrer Zeit damit verbracht, das Geröll in diesem Schattenreich zu durchkämmen, vorsichtig immer tiefer in das unterirdische Labyrinth vorzudringen und sich von einer Kreuzung zur nächsten vorzutasten. Tagelang hatte sie sich durch die Kammern und Gewölbe gearbeitet und die verwirrenden Gangsysteme innerhalb des riesigen Steinbaus kartografiert, um das Puzzle zu lösen.
    Auch diesen Nachmittag hatte sie in der Pyramide zugebracht und nur gelegentlich eine Pause eingelegt, um nach Kelly und Christopher zu sehen, die an der Entzifferung der mit Hieroglyphen bedeckten Treppe arbeiteten, und nach John Forbin, dem Architekturstudenten und Techniker des Teams, der die anderen halb verfallenen Gebäude studierte. Johns Erkundungen, bei denen er die Standorte der Ruinen auf der zerknitterten Landkarte verzeichnete, die er stets bei sich trug, führten ihn weit in den Dschungel hinein. Als Techniker verschwendete John keine Zeit darauf, seinen Entdeckungen phantasievolle Namen zu geben. Statt dessen beschränkte er sich auf schlichte, numerische Bezeichnungen – Tempel XI oder Stele 17.
    Cassandra warf einen Blick auf ihre Kompaßuhr und drang im Schein ihrer leistungsstarken Taschenlampe noch tiefer ins Pyramideninnere vor. Der kalte Lichtkegel wanderte über grob behauene Kalksteinquader und rohe Stützbalken. Scharfe Schatten sprangen die Forscherin mit extremen Einfallswinkeln an, wann immer sie die Lampe bewegte. Sie ging vorsichtig vorwärts und sog die muffige Luft ein. Irgendwo huschte ein dunkler Schemen in einen breiten Spalt in der Mauer.
    Cassandra trug einen kleinen Mikrokassettenrecorder in der Hand und einen Bogen Millimeterpapier, auf dem sie ihre Bewegungen verzeichnete. Bisher hatten sich die meisten Gänge, die sie untersucht hatte, als Sackgassen erwiesen, die möglicherweise eigens angelegt worden waren, um Eindringlinge zu verwirren... ebensogut konnten sich hinter den Kopfwänden aber auch versiegelte Schatzkammern befinden. Aus Sicht einer Archäologin war allerdings die Möglichkeit, daß dort geheime Grabkammern oder Gewölbe, die die so seltenen Maya-Handschriften bargen, liegen konnten, weitaus aufregender.
    Wenn es dem Team gar gelang, einen intakten MayaCodex zu finden, eines jener herrlich illustrierten, auf Baumbastpapier geschriebenen Manuskripte, würde sich dadurch das Wissen über das mittelamerikanische Großreich um ein Vielfaches erweitern. Bisher waren nur vier erhaltene Maya-Codizes bekannt – die meisten Handschriften waren von spanischen Missionaren in ihrem fanatischen Eifer, jeden heidnischen Glauben auszulöschen, vernichtet worden. Xitaclan allerdings war schon lange verlassen gewesen, als die Konquistadoren die Neue Welt betraten.
    Cassandra arbeitete sich weiter vor, das Haar voller Staub, Augenlider und Wangen mit Erde verschmiert. Ihre Arme und Beine waren bleischwer, steif und wund von zu vielen Nächten auf einer unbequemen Iso-Matte, ihre Haut entzündet von unzähligen Insektenstichen. Schon zu lange hatte sie weder ein kaltes Getränk noch eine heiße Dusche genossen.
    Doch die wunderbaren Entdeckungen, die sie bereits bis jetzt hatte machen dürfen, waren alle Opfer wert. Archäologie ist eben nichts für Jammerlappen, dachte sie schulterzuckend.
    Ihr Vater hingegen war der Meinung, seine Tochter würde ihre Schönheit verschwenden, wenn sie in den Ruinen antiker Zivilisationen herumkroch, aber Cassandra lachte nur darüber. Immerhin hatten sie seine Erfolge als Archäologe überhaupt erst dazu gebracht, diesen Weg einzuschlagen. Der große Vladimir Rubicon hatte sich mit der Erforschung der Terrassensiedlungen amerikanischer Ureinwohner einen Namen gemacht; die einst blühende Zivilisation der Anasazi war sein Spezialgebiet, obwohl er seine Karriere ursprünglich mit dem Studium der Maya begonnen hatte.
    Cassandra wollte eigene Spuren in ihrer Disziplin hinterlassen und nicht nur die Arbeit ihres Vaters fortführen. Ihre erste große Leidenschaft war die Geologie

Weitere Kostenlose Bücher