Akte X
Officer, aber ich muß weiter. Was war das denn für eine Scheiße?
McCammon sog die Luft durch die Nase ein. Falls der Typ betrunken war, müßte er es aus dieser Entfernung riechen können, aber er roch nichts von dem charakteristischen süßlich-schalen Alkoholgestank. Allerdings war da irgend etwas anderes... ein unangenehmer Geruch wie von einem brünstigen Tier.
Die Videokamera des Streifenwagens summte leise vor sich hin und zeichnete gewissenhaft auf, wie McCammon einen Schritt näher an das Fahrzeug herantrat und sich etwas tiefer bückte. Das Funkgerät zischte und spuckte eine Meldung aus: »An alle Einheiten, daß FBI fahndet nach einem Flüchtigen, der im Verdacht steht, eine FBI-Agentin entführt zu haben...«
Leider konnte die Videoüberwachungskamera die Meldung genausowenig hören wie McCammon, dem der Musikschwall durch das geöffnete Wagenfenster entgegenschlug. Und von dem er allmählich genug hatte.
»Sir, ich habe Sie gebeten, das Radio auszuschalten.«
Wieder reagierte der Mann eine Weile nicht, als müsse er die Worte des Polizisten erst durch einen inneren Computer laufen lassen. Dann hob er eine Hand und schaltete das Radio aus. Die plötzlich einkehrende Stille wirkte auf ihre Art ebenso unangenehm wie zuvor der Lärm.
Der Fahrer wandte das Gesicht wieder dem Fenster zu, und jetzt veränderten sich seine Züge, nahmen einen erschöpften und flehenden Ausdruck an, den McCammon alles andere als beruhigend fand. »Also, können Sie mir jetzt einfach den Strafzettel geben, damit ich weiterfahren kann? Ich werde erwartet.«
Die Worte klangen vernünftig und normal, der drängende und weinerliche Tonfall aber war eher dazu angetan, McCammons Mißtrauen weiter zu schüren. Er kam zu dem Schluß, daß es Zeit wurde, diesen komischen Vogel aus seinem Wagen zu holen und ihn sich genauer anzusehen.
Aber bleib freundlich, dachte er. Reiz den Mann nicht. »Wo?« fragte er und schickte der Frage ein kurzes Lächeln hinterher.
»Ich bin mir nicht sicher«, erwiderte der Mann. »Sie werden es nur sagen, wenn ich da bin.« Sie? dachte McCammon. Wer, zur Hölle, sind sie?
»Sir, legen Sie die Hände auf das Lenkrad, so daß ich sie sehen kann.«
»Aber Sie verstehen das nicht. Die warten auf mich. Ich darf mich nicht verspäten.«
Der Mann hob die linke Hand, und McCammon sah die blutverschmierte Plastikmanschette. Er beugte sich noch etwas weiter vor und erkannte, daß ein großer Fleck getrockneten Blutes den Aufdruck auf dem Sweatshirt des Fahrers überdeckte.
McCammon zog seine Pistole und richtete sie auf das Gesicht des Mannes.
»Heben Sie die Hände und steigen Sie aus dem Fahrzeug!« befahl er.
»Nein, ich muß weiter. Bitte, in Ihrem eigenen Interesse, halten Sie Duane Barry nicht auf!« Hätte Officer McCammon Fox Mulders psychologische Ausbildung gehabt, so hätte er Duane Barrys
Gebrauch der dritten Person vielleicht als psychotischen Schub erkennen können, der äußerste Gefahr signalisierte. Doch das war nicht Fall. Trotzdem hätte er die Situation vielleicht überstanden, wäre nicht noch eine kleine Ablenkung dazugekommen.
Er streckte die Hand gerade nach dem Türgriff aus, als er einen schweren dumpfen Schlag am Heck des Wagen vernahm. Automatisch blickte er in die Richtung des Geräuschs. Es war ein reiner Reflex.
Duane riß Scullys Pistole hoch, schob sie durch das Fenster und drückte ab. McCammon wirbelte instinktiv herum und sah gerade noch, wie der Lauf der Pistole im Türfenster erschien und sich auf ihn richtete, aber es war bereits zu spät.
Ein brutaler Schlag traf ihn in die Brust, ein zweiter, ein dritter. Ein grelles Licht flammte in seinem Kopf auf, und dann existierte nur noch Dunkelheit.
10
Das Auspuffrohr lief direkt unter dem Kofferraum entlang und ließ die Luft heiß und stickig werden.
Dana Scully lag hilflos in der Dunkelheit. Der Schweiß lief ihr in Strömen über das Gesicht und in die Augen. Da Duane ihr die Hände auf dem Rücken gefesselt hatte, konnte sie den Schweiß nicht fortwischen, und ihre Augen brannten unablässig.
Noch immer wußte sie praktisch nicht, was passiert war. Sie konnte sich erinnern, wie Duane das Fenster zerschlagen hatte und in ihre Wohnung eingedrungen war, doch dann hatte sie das Bewußtsein verloren und war erst hier wieder zu sich gekommen. Sie vermutete, daß sie im Kofferraum ihres eigenen Wagens lag. Bisher waren sie ohne Halt gefahren, der Motor dröhnte unablässig, und manchmal legte sich der Wagen bei
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