Akte X
überhöhter Geschwindigkeit so scharf in die Kurven, daß sie heftig gegen das Reserverad oder die Kofferraumwände geschleudert wurde.
Zweimal befürchtete sie, der Wagen würde sich überschlagen, aber er fing sich jedesmal wieder. Als er schließlich anhielt und auch die laute Musik verstummte, blieb Scully ruhig hegen. Vielleicht wollte Duane ja nur kurz austreten. Aber dann hörte sie gedämpfte Stimmen. Zwei Stimmen. Sie trat so kräftig, wie sie konnte, gegen den Kofferraumdeckel.
Die wilde Hoffnung, die in ihr aufgekeimt war, erstickte fast augenblicklich wieder, als mehrere Pistolenschüsse in schneller Folge aufpeitschten. Scully lag wie gelähmt in der Dunkelheit, zitterte am ganzen Körper und wartete.
Kurz darauf hörte sie undeutlich leise schlurfende Schritte. Dann das metallische Kratzen eines Schlüssels im Schloß. Helles Licht fiel durch einen schmalen Spalt und blendete sie. »Hmmm... hmmm!« stieß sie durch ihren geknebelten Mund hervor.
Der Kofferraumdeckel öffnete sich vollständig. Das Licht war beinahe unerträglich hell. Scully hatte das Gefühl, als würde eine Ewigkeit verstreichen, bevor sie endlich den Kopf heben und etwas erkennen konnte.
Duane Barry ragte über ihr auf und starrte auf sie herab, eine Pistole in der rechten Hand. Er war vom Kinn abwärts mit frischem Blut bespritzt. Mit frischem Blut und irgend etwas anderem. Etwas, das grau und schmierig aussah.
Es dauerte einen Moment, bis sie begriff, was es war.
Hirnmasse.
Sechstes Kapitel
1 FBI-Zentrale Abteilung für Videoauswertung 15:11 Uhr
Mulder war nach Hause gegangen und hatte vergeblich versucht zu schlafen. Er hatte flach auf dem Rücken in seinem Bett gelegen, an die Decke gestarrt und dem lauten Dröhnen seines Blutes gelauscht, das in seinen Ohren rauschte. Zweimal war er kurz eingenickt, aber jedesmal wieder schweißgebadet hochgeschreckt, als Scullys flehender Hilfeschrei in seinem Schädel widerhallte.
Gegen ein Uhr mittags gab er es auf, kroch aus dem Bett und ging unter die Dusche. Er duschte zuerst kalt, dann heiß und schließlich wieder kalt, und als er sich abtrocknete und rasierte, fühlte er sich wenigstens wieder annähernd wie ein Mensch.
Er traf gegen Viertel nach zwei in der FBI-Zentrale ein, fast zum gleichen Zeitpunkt, als die ersten Meldungen über Roger McCammons Ermordung hereinkamen. Zuerst wußte niemand, ob eine Verbindung zwischen dem Mord und Scullys Entführung bestand, doch gegen drei Uhr brachte ein Spezialbote das Band von Officer McCammons Videokamera, und eine Viertelstunde später stand Mulder im Büro von Agent Fred Dobonia und sah sich mit ihm die Schwarzweißaufzeichnung auf einem Monitor an.
Agent Dobonia hatte sich bereits Tausende von Videobändern mit seiner elektronischen Ausrüstung angesehen, aber an diesem Fall war etwas Besonderes. Vielleicht lag es daran, daß ein anderer Agent darin verwickelt war, vielleicht auch nur daran, wie dieser Kerl, Duane Barry, aussah, als er seinen Wagen verließ und achtlos über die Leiche des Officers hinwegstieg, als wäre sie lediglich ein Müllsack mit den Abfällen vom Vortag...
Duane Barry machte einen heruntergekommenen Eindruck.
Dobonia war sich nicht sicher, woran das eigentlich lag. Normalerweise stammten seine Videobänder aus den Überwachungskameras in Banken oder von tragbaren Videokameras, wie sie heutzutage fast jedermann ständig mit sich herumzutragen schien. Dieses Band aber war besser als das übliche Material, die Aufnahme war scharf und klar, dazu gedacht, als verwertbares Beweismaterial vor Gericht zu dienen. Auch ohne eine computergenerierte Vergrößerung waren viele Details deutlich zu erkennen.
Duane Barry sah wirklich zum Fürchten aus, wie einer dieser Typen aus dem Film... Wie hieß er noch gleich? Die Nacht der lebenden Toten? Egal, jedenfalls sah er so aus wie die Typen in dem Film. Wie ein Zombie. Ein Zombie mit einer Pistole.
Mulder hatte einen etwas anderen Eindruck, als er zusah, wie Duane zum Kofferraum des Wagens schlurfte, Scullys Pistole kraftlos in der schlaff herabbaumelnden rechten Hand. Duane erinnerte ihn an eine Marionette, deren Fäden durchtrennt worden waren, und er fragte sich, wer - oder was - die Fäden bisher gezogen hatte.
Der ehemalige FBI-Agent erreichte den Kofferraum, bückte sich, schob einen Schlüssel in das Schloß, drehte ihn herum und hob den Kofferraumdeckel.
Mulder beugte sich vor. Da! Aber das Bild war schon wieder vorbei.
»Spulen Sie ein paar Bilder
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