Akte X
und Schwestern sofort herbeigeeilt, um sich um den Patienten zu kümmern, doch in dieser Nacht waren in der Notaufnahme so viele schwere Fälle zu bewältigen, dass kaum jemand Notiz von dem Hilferuf nahm. Alger wusste, dass der Duke selbst den Patienten übernehmen würde, wenn er erkannte, dass lediglich die beiden Assistenzärzte bei dem sterbenden Mann waren - aber Alger hatte nun keine Zeit mehr, auf den Chefarzt zu warten.
Er schnappte sich die Elektroden des Defibrillators auf dem Gerätewagen und schob seine Hände durch die Griff Schlaufen. Dann verteilte er ein leitendes Gel auf der Auflagefläche der Elektroden. Ihm blieb keine andere Wahl, als dem Mann einen Stromstoß zu versetzen und zu beten, dass sein Herzrhythmus sich wieder stabilisierte. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er den Defibrillator noch nie einsetzen müssen, aber er hatte während seines Studiums wenigstens ein Dutzend Mal gesehen, wie die Prozedur vonstatten ging.
»Dreihundert Joule«, verlangte er, mühsam bestrebt, das Zittern in seiner Stimme zu unterdrücken. Er wusste, dass dreihundert Joule ein recht hoher Wert für den ersten Versuch waren, aber der Mann war groß und muskulös. Vermutlich hatte er jeden Tag seines Lebens Sport getrieben. »Fertig!«
Die Schwester und Crow traten von der Krankentrage zurück. Alger preßte die Elektroden auf die nackte Brust des Mannes und betätigte mit dem Daumen den Auslöser. Krampfhaft bog sich der Leib des Mannes, ehe er wieder auf die Trage zurückfiel. Alger drehte sich zu dem EKG-Monitor um.
Keine Änderung. Wieder wandte er sich an Gomez, die direkt neben dem Deribrillator stand. »Dreihundert-sechzig. Schnell!«
»Jesus«, murmelte Crow. »Wo zum Teufel ist Duke?«
Alger beachtete ihn gar nicht. Es gab nichts, was der Duke in diesem Augenblick hätte tun können. Entweder das Herz des Mannes begann wieder zu schlagen, oder es war zu Ende. Gomez erhöhte die Voltzahl, und Alger machte sich bereit. »Fertig.«
Dieses Mal hob der Mann volle zehn Zentimeter von der Trage ab. Sein Kopf fiel zurück, und seine Arme zuckten unter den Gurten.
»Kein Ausschlag!« rief Crow. »Er ist erledigt! Brad...«
Ein drittes Mal versetzte er dem Mann einen Stromschlag. Der Geruch versengten Fleisches stieg in seine Nase, als er sich verzweifelt zu dem EKG-Monitor umblickte. Noch immer nichts. Er warf die Elektroden von sich, stürzte sich halb auf die Trage und legte seine Handflächen nahe der Mitte auf die Brust des Mannes. Die Muskeln an seinen Unterarmen spannten sich, als er mit der wohl energischsten Herzmassage seines Lebens begann. Der Brustkorb des Patienten fühlte sich unter seinen Fingern sonderbar steif an, seine Haut war rauh, beinahe wie Leder. Er arbeitete schweigend, und die Minuten zogen langsam dahin, während er sich bemühte, das Herz des Mannes doch noch zum Schlagen zu überreden. Schweiß lief über seinen Rücken, doch er ignorierte ihn ebenso wie den Schmerz in seinen Armen und Schultern. Seine Gedanken überschlugen sich auf der steten Suche nach einem Grund für diese schreckliche Fehlentwicklung. Hatte er irgend etwas übersehen? Gab es etwas, das er hätte tun können? Hatte er die richtige Entscheidung getroffen, als er den Defibrillator eingesetzt hatte?
»Und?« fragte er, obwohl er längst wusste, wie die Antwort ausfallen würde.
»Immer noch nichts«, entgegnete Crow. »Er ist tot, Brad. Du knetest nur noch totes Fleisch.«
Alger starrte auf den EKG-Monitor, dann zu Crow. Schließlich blickte er Gomez an, und sie nickte. Er fühlte, wie seine Schultern kraftlos herabsanken, seine Arme erschlafften. Verdammt. Es war alles so schnell passiert. Er sah sich nach Duke um, der noch immer auf der anderen Seite des Raumes mit seinem Patienten beschäftigt war. Entweder hatte er ihren Hilferuf nicht gehört, oder er hatte es ebenfalls mit einem Notfall zu tun.
Alger schluckte und sagte sich, dass er sich streng an die Regeln gehalten hatte. Auch der Duke hätte in dieser Situation nichts anderes tun können. Nicht einmal zwei Minuten, nachdem er in die Notaufnahme geschoben worden war, hatte das Herz dieses Burschen aufgehört zu schlagen. Der Defibrillator hätte sein Leben retten können - ganz sicher hatte er ihn nicht getötet. Dennoch fühlte Alger sich scheußlich. Ein Mann war unter seinen Augen gestorben. Er nahm die Hände von der Brust des Patienten und trat einen Schritt von der Trage zurück.
Warum zum Teufel hatte er sich auch für den Notdienst
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