Die Flammen der Dämmerung: Roman (German Edition)
PROLOG
Inevera
300 NR
I nevera und ihr Bruder Soli saßen im Sonnenlicht. Beide hielten den Rahmen eines Korbs zwischen ihren bloßen Füßen und drehten ihn, während sie mit geübten Fingern die Flechtarbeit verrichteten. So spät am Tag gab es in ihrem kleinen Verkaufsstand nur einen winzigen schattigen Fleck. Dort saß ihre Mutter Manvah und flocht ebenfalls einen Korb. Der Berg aus rauen Dattelpalmwedeln im Inneren des Kreises, den die drei Flechter bildeten, schrumpfte beständig, während sie emsig arbeiteten.
Inevera war neun Jahre alt. Soli war fast doppelt so alt wie sie, aber trotzdem noch sehr jung, um die Tracht eines vollwertigen dal’Sharum zu tragen; das frisch gefärbte tiefschwarze Tuch war noch keine Spur ausgebleicht. Vor knapp einer Woche hatte er diese ehrenvolle Tracht anlegen dürfen, und jetzt saß er auf einer Matte, damit der allgegenwärtige Staub im Großen Basar den Stoff nicht beschmutzte. Oben war das Gewand nur locker gerafft und zeigte eine glatte, muskulöse Brust, die vor Schweiß glänzte.
Mit einem Palmwedel fächelte er sich Kühlung zu. »Bei Everams Eiern, diese Gewänder bringen einen zum Schwitzen. Ich wünschte, ich könnte immer noch nur mit einem Bido bekleidet rumlaufen.«
»Du kannst im Schatten sitzen, wenn du möchtest, Sharum «, schlug Manvah vor.
Soli schnalzte mit der Zunge und schüttelte den Kopf. »Hast du das erwartet? Dass ich in schwarzer Kleidung heimkomme und anfange, dich herumzukommandieren wie …«
Manvah kicherte. »Ich will nur sichergehen, dass du mein lieber Junge bleibst.«
»Aber nur zu dir und meiner süßen kleinen Schwester bin ich lieb«, erklärte Soli und zerstrubbelte Ineveras Haare. Sie schlug seinen Arm zur Seite, doch dabei lächelte sie. Wenn Soli da war, wurde immer viel gelächelt. »Gegenüber allen anderen Leuten bin ich so gemein wie ein Sanddämon.«
»Pah«, erwiderte Manvah und winkte ab, doch Inevera machte sich ihre eigenen Gedanken. Sie wusste noch genau, was er mit den beiden Majah-Bengeln gemacht hatte, die sie im Basar geärgert hatten, als sie noch jünger waren. Die Schwachen überlebten nicht in der Nacht.
Inevera war mit ihrem Korb fertig und stellte ihn auf einen der vielen Stapel. Sie zählte rasch nach. »Noch drei, dann ist dama Badens Bestellung komplett.«
»Vielleicht lädt Cashiv mich zum Fest anlässlich des Anschwellen den Mondes ein«, sagte Soli. Cashiv war dama Badens kai’Sharum , sein Hauptmann, und Solis ajin’pal , der Krieger, der in seiner ersten Nacht im Labyrinth an ihn gefesselt war und an seiner Seite kämpfte. Es hieß, es gäbe keine stärkere Bindung zwischen zwei Männern.
Manvah schnaubte durch die Nase. »In diesem Fall lässt dama Baden dich nackt und eingeölt einen Korb tragen und feiert das Anschwellen des Mondes, indem er seinen lüsternen alten Hofschranzen deinen blanken Hintern anbietet.«
Soli lachte. »Ich habe gehört, dass man sich wegen der alten Kerle keine Sorgen zu machen braucht. Die meisten von ihnen begnügen sich mit Gaffen. Es sind die Jüngeren, die Fläschchen mit Öl in ihren Gürteln tragen.«
Er seufzte. »Trotzdem, Gerraz wartete bei dama Badens letzter Speerfeier auf, und er hat mir erzählt, dass der dama ihm zweihundert Draki gab. Das ist einen wunden Hintern wert.«
»Lass das bloß deinen Vater nicht hören«, warnte Manvah. Solis Blick huschte zu der durch einen Vorhang abgetrennten Kammer im rückwärtigen Teil des Verkaufsstands, wo sein Vater schlief.
»Früher oder später wird er herausfinden, dass sein Sohn push’ting ist«, meinte er. »Ich werde nicht irgendein armes Mädchen heiraten, nur um das vor ihm zu verbergen.«
»Warum nicht?« fragte Manvah. »Sie könnte mit uns flechten. Und wäre es denn so schrecklich, sie ein paarmal mit deinem Samen zu schwängern und mir Enkel zu schenken?«
Soli verzog das Gesicht. »Wenn du Enkel willst, musst du eben warten, bis Inevera so weit ist.« Er blickte sie an. »Morgen ist Hannu Pash , liebe Schwester. Vielleicht finden die dama’ting einen Ehemann für dich!«
»Wechsle nicht das Thema!« Manvah schlug ihm mit einem Palmwedel auf die Hand. »Du fürchtest dich nicht vor den Mauern des Labyrinths, aber was zwischen den Schenkeln einer Frau verborgen ist, macht dir Angst?«
Soli schnitt eine Grimasse. »Im Labyrinth bin ich wenigstens von starken, schwitzenden Männern umgeben. Und wer weiß? Vielleicht findet einer der push’ting dama Gefallen an mir? Die mächtigen, so wie
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