Alanna - Das Lied der Loewin
fügte er hinzu: »Es tut mir wirklich leid.«
Sie versuchte sich abzuwenden, doch die Knie gaben unter ihr nach. Georg fing sie auf und führte sie neben Jonathan. »Es war genau der Tod, den er wollte«, sagte der König. »Wir werden ihn stets in Ehren halten.«
Alanna nickte stumm. Als Jon die Hand nach ihr ausstreckte, blitzte etwas auf und eine winzige Kugel aus rotviolettfarbenem Feuer sprang von seinen Fingern auf ihre über, die unter Binden versteckt lagen. Sanft griff er nach ihrer Hand und küsste sie. »Wir haben es geschafft, Kämpe des Königs. Tortall ist in Sicherheit!«
Epilog
Herolde wurden ausgesandt, um dem Volk zu erklären, was am Tag der Krönung geschehen war. In diesem Jahr würden keine Festwochen abgehalten werden. Tortall brauchte Zeit, um zu trauern, das Land wieder aufzurichten und neu aufzubauen. Stattdessen plante der König ein Fest, um ein Jahr später das erste Jahr seiner Regentschaft zu feiern. Anschließend würde er sein Königreich bereisen, etwas, was sein Großvater getan hatte, sein Vater jedoch nie.
Diejenigen, die vom Gerichtshof für schuldig befunden wurden, an dem Aufstand mitgewirkt zu haben, verloren ihre Ländereien und allen sonstigen Besitz und wurden mit ihren Familien ins Exil geschickt. Delia, die Einzige, die von den Anführern noch lebte, bekam eine lebenslange Kerkerstrafe. Eigentlich hätten alle zum Tode verurteilt werden müssen – die Gesetze waren streng, was Hochverrat betraf – , aber Jonathan wollte seine Zeit als König nicht mit Exekutionen beginnen. In der ersten Woche seiner Regentschaft sprach er mehr Begnadigungen aus als König Roald in seinem ganzen Leben.
Eine Woche nach den Bestattungen fand der König seinen
Kämpen in den Katakomben, wo er auf einer Bank saß und das geschwärzte Muster zum Idramm ansah. Dort, im Zentrum des Musters, stak Blitz. Die Klinge war rußverschmiert, die Juwelen am Heft waren gesprungen und hatten sich schwarz verfärbt. Jonathan packte das Schwert und versuchte ohne Erfolg, es herauszuziehen.
»Schon gut«, sagte Alanna. »Ich will es nicht haben. Es gibt andere Schwerter, und mir gefällt Blitz dort, wo es ist.«
Jon ließ die Waffe los und betrachtete seine schmutzigen Hände. »Gut.«
»Ich denke bloß nach. Gehst du bitte vom Tor zum Idramm weg? Es macht mich nervös.«
Der König zuckte die Achseln, trat näher und setzte sich neben sie. »Was geht dir im Kopf herum?«
Sie zögerte einen Moment, bevor sie sagte: »Hättest du etwas dagegen, wenn ich eine Weile zum Stamm des Blutigen Falken zöge? Ich brauche einfach Zeit zum Nachdenken und ausruhen würde ich mich auch gern.« Sie lächelte. »Ich habe ein arbeitsreiches Jahr hinter mir.«
»Nimm dir so viel Zeit, wie du magst«, sagte Jon. »Ich weiß ja, wo ich dich finde, wenn du gebraucht wirst.«
Alanna an Georg Cooper, Baron von Piratenbeute, geschrieben Ende Juli:
»... also hat dich Jon beauftragt, die letzten der Krönungsrebellen aufzuspüren. Das überrascht mich nicht. Es ist sehr ruhig hier. Sag Myles, ich käme endlich genug zum Schlafen. Ich vermisse dich ...«
Sie nahm am Alltagsleben des Stammes teil, jagte Wüstenlöwen mit den jungen Männern und ließ sich von den Schamanen die Legenden der Bazhir erzählen. Beim Wachdienst,
den sie übernahm, genoss sie die Stille und die hell funkelnden Sterne. Kurz nach ihrer Ankunft sah Alanna innerhalb der Sternengruppe, die man »Die Göttin« nannte, ein neues Sternbild. Sie fand nie heraus, von wem der Name stammte, aber überall, wo ihre Reisen sie in den nächsten Jahren hinführten, hörte sie immer wieder, dass man es »Die Katze« nannte.
Junge Leute kamen von überall her, um die Frau, die wie ein Mann reitet, kennenzulernen. Die meisten waren Jungs, aber manchmal waren auch Mädchen dabei. Viele der Jungs waren auf dem Weg nach Norden, um sich der Königlichen Leibgarde anzuschließen. Die meisten Mädchen hatten vor, ihr Glück als Kriegerinnen zu versuchen.
In der zweiten Oktoberwoche trafen, eskortiert von einem Trupp der Königlichen Leibgarde, Thayet und Buri ein. Jetzt, da Alannas Trauer um Thom, Liam und Trusty schon ein bisschen erträglicher war, freute sie sich über den Besuch. Doch es dauerte nicht lange, bis sie sich zu fragen begann, ob Thayet gekommen war, um etwas ganz Bestimmtes mit ihr zu bereden. Was es auch immer sein mochte, die Prinzessin konnte sich tagelang nicht überwinden, es anzusprechen. Stattdessen erzählte sie von der
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