Historical Band 303
1. KAPITEL
Ballaloch, Schottland 1305
B ram MacKinloch konnte sich nicht daran erinnern, wann er das letzte Mal etwas gegessen oder getrunken hatte. Er spürte nur noch Benommenheit, und alles, was er tun konnte, war einfach weiterzulaufen. Jahrelang hatte man ihn in der Dunkelheit gefangen gehalten. Er wusste nicht mehr, wie es war, die Sonne auf der Haut zu spüren. Sie blendete und zwang ihn, den Blick gesenkt zu halten.
Großer Gott, er wusste noch nicht einmal mehr, wie lange er schon auf der Flucht war oder wie viel englische Soldaten ihn verfolgten. Und wo sie sich im Augenblick befanden. Er mied die Täler und suchte sich einen Weg über die bewaldeten Hügel, wo ihn die Bäume vor den Blicken seiner Verfolger schützten.
Um seine Spur vor den Hunden zu verschleiern, hatte er einen Fluss durchschwommen und triefte jetzt vor Nässe.
Waren da überhaupt Hunde gewesen? In seinem Kopf verwirrte sich alles, und er konnte die Wirklichkeit nicht mehr von seinen Albträumen unterscheiden.
Lauf weiter, befahl er sich. Du darfst nicht stehen bleiben!
Als er den Kamm des Hügels erreichte, stolperte er und fiel. Bevor er wieder aufstand, lauschte er, ob seine Verfolger zu hören waren.
Nichts. Stille lag über den Highlands, nur unterbrochen von Vogelgezwitscher und dem Summen der Insekten. Er stützte sich im Gras ab und rappelte sich wieder auf. Langsam ließ er den Blick im Kreis wandern. Von hier oben aus war niemand zu sehen. Nur die zerklüfteten, sich weithin ausdehnenden grünen Berge und der blaue Himmel über ihm.
Freiheit.
Er sog den Anblick in sich auf, genoss die Weite und das Land, nach dem er sich sieben Jahre lang gesehnt hatte. Auch wenn er noch weit entfernt war von seinem Zuhause, waren diese Berge ihm vertraut wie alte Freunde.
Bram atmete tief durch und gönnte sich einen Augenblick, um auszuruhen. Er hätte dankbar sein sollen, dass ihm die Flucht gelungen war. Stattdessen quälten ihn Gewissensbisse, denn sein Bruder Callum war immer noch an jenem gottverdammten Ort gefangen.
Bitte, lass ihn noch leben, flehte er stumm. Lass es nicht zu spät sein! Er würde Callum befreien, und wenn es ihn seine Seele kostete. Besonders, wenn er an den Preis dachte, den Callum für seine Freiheit hatte zahlen müssen.
Er lief weiter in Richtung Westen, auf Ballaloch zu. Wenn er sein Tempo beibehielt, konnte er die Burg in einer Stunde erreichen. Die MacPhersons würden ihm Schutz gewähren. Aber würden sie sich überhaupt noch an ihn erinnern, geschweige denn ihn wiedererkennen? Seit seinem sechzehnten Lebensjahr war er nicht mehr dort gewesen.
Er rieb sich die vernarbten Handgelenke und spürte nichts als kalte Leere in sich. Seine Hände zitterten. Die Tage ohne Ruhe und Rast forderten ihren Tribut. Was gäbe er nicht für eine Nacht tiefen, traumlosen Schlafs, eine Nacht ohne quälende Gedanken.
Ein Traum hatte ihn über die ganze Zeit hinweg begleitet. Der Traum von der Frau, an die er in den vergangenen sieben Jahren jede Nacht denken musste.
Nairna.
Trotz der albtraumhaften Gefangenschaft hatte er sich ihr Bild bewahrt. Das Bild ihrer grünen Augen und ihres braunen Haars, das ihr um die Hüften fiel. Und das Bild ihres Lächelns, mit dem sie ihn angesehen hatte, als wäre er der Einzige, den sie je begehrte.
Er packte den Saum seiner Tunika und tastete nach dem vertrauten Stein, den er dort verborgen hielt. Ein Geschenk, das Nairna ihm in jener Nacht gegeben hatte, als er zum Kampf gegen die Engländer aufgebrochen war. Wie oft während seiner Gefangenschaft hatte er den Stein umklammert, als könnte er ihr dadurch näher sein.
Wie ein Engel, der ihn vor dem Höllenfeuer schützte, hatte ihr Bild ihn davor bewahrt, wahnsinnig zu werden. Sie gab ihm einen Grund zu leben und zu kämpfen.
Wie kann ich glauben, dass sie immer noch auf mich wartet, dachte er niedergeschlagen. Nach sieben Jahren war er für sie sicher nur noch eine Erinnerung an vergangene Zeiten.
Außer, sie liebte ihn noch immer.
Der Gedanke weckte einen winzigen Hoffnungsfunken in ihm, und der ließ ihn weiterlaufen. Er war jetzt nahe der Burg der MacPhersons und würde dort bestimmt Unterschlupf für die Nacht finden.
Bram stellte sich vor, wie er Nairna in den Armen halten und den Duft ihrer Haut einatmen würde. Wie er ihre Lippen schmeckte und all die schmerzlichen Erinnerungen verdrängte. In ihren Armen würde die Vergangenheit keine Rolle mehr spielen.
Er stieg ins Tal hinab und sah Ballaloch wie eine
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