Alarm in Sköldgatan
und die Insassen stiegen gerade aus. Ohne sich um sie zu kümmern, nahm er seine angesengte Pelzmütze und drückte sie der Frau im Nachthemd auf den Kopf. Er wiederholte seine Frage, die er einige Minuten vorher gestellt hatte:
»Haben Sie nicht noch ein Kind?«
»Ja… Kristina… ihr Zimmer ist auf dem Dachboden«, antwortete die Frau und fing hemmungslos an zu weinen.
Gunvald Larsson nickte.
Blutig, verrußt, durchgeschwitzt und verletzt stand er zwischen den hysterischen, gelähmten, schreienden, bewußtlosen, weinenden und sterbenden Menschen. Wie auf einem Schlachtfeld.
Über das Prasseln der Flammen erhob sich der schrille Ton der Sirenen.
Und dann kamen sie plötzlich alle auf einmal. Tankwagen, Leiterwagen, Polizeiautos, Krankenwagen, Polizisten auf Motorrädern und Brandmeister der Feuerwehr in roten Personenautos.
Zachrisson.
Er fragte: »Was . .. wie ist denn das passiert?«
In diesem Augenblick stürzte das Dach ein, und das Haus verwandelte sich in ein funkensprühendes Feuerzeichen.
Gunvald Larsson blickte auf seine Uhr. Vor sechzehn Minuten hatte er noch oben auf dem Hügel gestanden und gefroren.
4
Am Freitag, dem 8. März, saß Gunvald Larsson in einem Zimmer des Polizeigebäudes in der Kungsholmsgatan. Er hatte ein weißes Polohemd und einen grauen Anzug mit schräg eingesetzten Taschen an. Beide Hände waren verbunden, und mit dem Verband um seinen Kopf sah er aus wie General von Döbeln während der Schlacht bei Jutas auf dem bekannten Gemälde. Außerdem hatte er mehrere Pflaster auf Gesicht und Hals. Ein Teil seines blonden Haares war weggesengt, ebenso die Augenbrauen, doch der klare Blick aus den hellblauen Augen wirkte genauso starr und unfreundlich wie immer.
Im Zimmer befanden sich noch andere Personen.
Zum Beispiel Martin Beck und Kollberg, die von der Reichsmordkommission in Västberga angefordert worden waren, und Polizeidirektor Evald Hammar, der vorläufig mit der Aufklärung dieses Falles beauftragt zu sein schien. Hammar war ein breitschultriger und großer Mann, dessen dichte Löwenmähne in den langen Jahren, die er im Polizeidienst war, weiß geworden war. Er hatte schon angefangen, die Tage bis zu seiner Pensionierung zu zählen, und sah in jedem Gewaltverbrechen eine persönlich gegen ihn gerichtete Schikane.
»Wo sind die anderen?« fragte Martin Beck.
Er stand wie meistens etwas abseits nahe der Tür und lehnte mit dem rechten Arm gegen einen Aktenschrank.
»Welche anderen?« fragte Hammar zurück, der genau wußte, daß die Zusammensetzung der Untersuchungskommission ausschließlich von ihm selbst abhing. Er hatte genügend Einfluß, alles Personal, das er haben wollte, auch zu bekommen, und kannte sich in solchen Sachen aus.
»Rönn und Melander«, erwiderte Martin Beck ungerührt.
»Rönn ist im Krankenhaus und Melander an der Brandstelle«, entgegnete Hammar brummig.
Die Abendzeitungen lagen auf dem Tisch, und Gunvald Larsson blätterte mit seinen bandagierten Händen wütend darin.
»Verdammte Schmierfinken«, brummte er und reichte Martin Beck eine der Zeitungen hinüber. »Guck dir bloß mal dieses Bild an.«
Das Foto ging über drei Spalten und zeigte einen jungen Mann im Trenchcoat und einem Hut mit schmalem Rand, der mit sorgenvoller Miene dastand und mit einem Stock in den rauchenden Trümmern des Hauses in der Sköldgatan stocherte. Schräg hinter ihm an der linken Kante des Bildes stand Gunvald Larsson und starrte blöde in die Kamera.
»Besonders vorteilhaft siehst du nicht aus«, bemerkte Martin Beck. »Wer ist der Mann mit dem Spazierstock?«
»Zachrisson heißt er. So ein Grünschnabel vom zweiten Polizeidistrikt. Vollkommener Idiot. Lies nur mal den Text.«
Der Held des Tages, Erster Kriminalassistent Gunvald Larson (rechts), rettete in einem waghalsigen Unternehmen während des Brandes heute nacht mehrere Menschenleben. Unser Bild zeigt ihn bei der Untersuchung der Reste des Hauses, das bis auf die Grundmauern niedergebrannt ist.
»Nicht nur, daß diese verdammten Stümper rechts und links nicht unterscheiden können«, murmelte Gunvald Larsson. »Außerdem…«
Er sprach nicht weiter, aber Martin Beck verstand, was er meinte, und nickte nachdenklich. Darüber hinaus war der Name falsch geschrieben. Gunvald Larsson sah das Bild mit Widerwillen an, dann schob er die Zeitungen mit dem Arm zur Seite.
»Außerdem ist es ein ganz schlechtes Bild von mir«, fuhr er fort.
»Hat eben seine Nachteile, wenn man berühmt wird«, meinte
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