Alarm in Sköldgatan
Fenster in der Wohnung rechts im Erdgeschoß wurden nach außen gedrückt, und es sah so aus, als ob der ganze Giebel vom Haus abgerissen wurde. Gleichzeitig schlugen bläuliche Flammen aus den Fenstern, deren Scheiben zersprungen waren. Gunvald Larsson stand wie eine Christusfigur mit ausgebreiteten Armen oben auf dem Hügel und starrte wie gelähmt auf das Schauspiel, das sich vor seinen Augen abspielte. Aber nur eine Sekunde lang. Dann stürmte er, rutschend und fluchend, den steinigen Abhang hinunter und rannte quer über den Weg auf das Haus zu, während er lief, bemerkte er, daß die Flammen die Farbe wechselten, sie waren jetzt gelbrot und züngelten an der ganzen Breitseite des Hauses hoch. Dazu sah es aus, als ob das Dach auf der rechten Seite des Hauses sich bereits zu neigen begänne, so als ob ein Teil des Fundaments unten weggezogen wäre. Die Wohnungen im Erdgeschoß hatten nach wenigen Sekunden Feuer gefangen, und als er die Steinstufen vor dem Eingang erreicht hatte, brannte es auch schon in den oberen Räumen.
Er riß die Tür auf, sah aber sofort, daß es bereits zu spät war. Die Tür rechts im Gang war aus den Angeln gerissen worden und versperrte die Treppe. Sie brannte wie eine Fackel, und die Flammen breiteten sich schon auf der Holztreppe aus. Eine Druck und Hitzewelle kam ihm entgegen, er stolperte angesengt und geblendet rückwärts die Außentreppe hinunter. Im Haus hörte er Menschen in Schmerz und Todesangst schreien. Soweit ihm bekannt war, befanden sich mindestens elf Personen im Haus, hilflos in dieser wahren Todesfalle eingesperrt. Wahrscheinlich waren einige von ihnen bereits tot. Das scharfe Fauchen der Flammen, die aus den Fenstern im Parterre schössen, hörte sich wie bei einem Schneidbrenner an.
Gunvald Larsson blickte sich hastig nach einer Leiter oder einem anderen Hilfsmittel um, konnte aber nichts dergleichen entdecken.
Im Obergeschoß wurde ein Fenster aufgestoßen, und durch den Rauch und die Flammen meinte er eine weibliche Gestalt zu erkennen, die gellend und hysterisch schrie. Er legte die Hände vor den Mund und brüllte: »Springen! Springen Sie nach rechts!«
Sie kniete jetzt auf dem Fensterbrett, zögerte aber noch. »Springen! Jetzt! So weit, wie Sie können! Ich fang Sie auf!« Das Mädchen ließ sich fallen. Sie kam direkt auf ihn zu, und es gelang ihm, sie aufzufangen, indem er den rechten Arm um ihre Schulter und den linken um die Beine schlang. Sie war nicht schwer, wog nicht viel mehr als fünfzig oder fünfundfünfzig Kilo, und der Griff war reine Routinesache, sie berührte nicht mal den Boden. Sofort schwenkte er sie herum, um sie aus dem Bereich der lodernden Flammen zu bringen, ging drei große Schritte vom Haus weg und setzte sie auf den Boden. Sie war nackt, zitterte am ganzen Körper, schrie gellend und warf wie von Sinnen den Kopf hin und her. Ob sie verletzt war, konnte er nicht feststellen.
Als er sich wieder umdrehte, sah er noch eine Person am Fenster. Einen Mann, der sich offenbar in Laken gewickelt hatte. Die Flammen waren noch intensiver geworden. Dichter Rauch quoll überall aus dem Dach, und an der . rechten Seite schlugen kleine Flammen zwischen den Dachziegeln hoch. Wenn die verdammte Feuerwehr nicht bald kommt…, dachte Gunvald Larsson und ging so nahe an das brausende Flammenmeer heran, wie er konnte. Es knackte und krachte in dem brennenden Gebälk, Funkenschauer fielen auf ihn herab, auf sein Gesicht und den Schafpelz, wo sie langsam kleine Löcher in das Material brannten. Er brüllte, so laut er konnte, um das Donnern der Flammen zu übertönen: »Springen Sie! So weit Sie können! Nach rechts!«
Im gleichen Moment, da der Mann sich abstieß, fing das Stück Stoff Feuer. Er stieß einen gellenden Schrei aus und versuchte, sich von dem Umhang zu befreien. Diesmal gelang das Auffangen nicht so gut. Der Mann war erheblich schwerer als das Mädchen, er wirbelte herum, sein linker Arm fand Halt an Gunvald Larssons Schulter, dann schlug er mit dem Genick auf das Kopfsteinpflaster des Hofes. In Sekundenschnelle gelang es Gunvald Larsson, mit seiner mächtigen Hand den Kopf des Mannes zu erfassen und ihn damit vor einem Schädelbruch zu bewahren. Er legte den Mann auf den Boden, riß das brennende Laken ab und verbrannte dabei seine Handschuhe. Auch der Mann war bis auf einen goldenen Ehering nackt. Er stöhnte laut, klapperte mit den Zähnen und stieß sinnlose Laute aus wie ein Schimpanse. Gunvald Larsson schleppte ihn einige Meter
Weitere Kostenlose Bücher