Alasea 02 - Das Buch des Sturms
auch wenn noch ein kleiner Funke übrig war. »Dann bin ich der Meinung, wir sollten so schnell wie möglich aufbrechen«, sagte Mikela mit gespielter Fröhlichkeit. Als sie wegging, hielt sich ihre Tante die Hand an die Seite, an der Stelle, wo das Gift der Tentakel sich tief eingebrannt hatte. Elena vermutete, dass es nicht nur die Wunde war, die ihr Schmerzen bereitete.
So trennten sich also Mikela und Jaston - eher wie Freunde und nicht wie Liebende -, sodass es nur noch an Elena war, sich zu verabschieden. Sie umarmte Jaston und wandte sich Cassa Dar zu. Die Hexe hatte sich wieder ihr auf Magik beruhendes Äußeres gegeben und stand erneut als Schönheit mit kastanienbraunem Haar da. Ihre schlanken Hände griffen nach Elenas Händen, die von Handschuhen bedeckt waren. »Du trägst das Erbe der Svesa’kofa in dir. In deinen Händen liegt große Macht«, sagte sie, dann hob sie eine Hand und legte sie flach auf Elenas Brust. »Doch deine wahre Kraft wird immer aus deinem Herzen kommen. Vergiss das nicht, Kind.«
Aufsteigende Tränen trübten Elenas Blick.
»Und bitte, vergiss auch nicht, was du mir versprochen hast«, fügte sie hinzu. »Du bist die einzige Hoffnung meines Volkes.«
Elena nickte. »Ich werde dafür sorgen, dass der Try’sil eines Tages an seinen rechtmäßigen Platz zurückgebracht wird.«
Cassa Dar lächelte, und sie umarmten sich. Die illusionäre Erscheinung der Hexe war so vollkommen, dass Elena selbst in diesem Augenblick, da sie die Arme um Cassa Dar geschlungen hatte, die greise Zwergin, die sich in der Moosmagik verbarg, nicht spüren konnte.
Endlich trennten sie sich.
Elenas Gruppe ging an Bord des Boots, und jeder nahm seinen Platz ein. Mit einem sanften Rucken rutschte das Gefährt vom Ufer und glitt von selbst dahin, davongetragen von Cassa Dars Sumpfmagik.
Elena, die am Heck saß, warf einen letzten Blick zurück zu Jaston und Cassa Dar. Die beiden standen am moosbewachsenen Ufer, die Arme zum Abschied winkend erhoben. Elena bemerkte, wie die Hexe die Hand in Jastons schob, während sie ihnen nachwinkten. Elena lächelte. Also war Mikela anscheinend nicht die Einzige, die an Jaston interessiert war.
Mikela war dieses kleine Anzeichen von Zuneigung von Seiten der Hexe ebenfalls nicht entgangen. Ihre Wangen röteten sich, und ihr Winken war nur noch förmlich. Sie wandte sich gleich darauf ab, weg von der Szene hinter dem Boot, um irgendeine Einzelheit mit Er’ril zu besprechen.
Elena war froh, dass sich ihre Tante abgewandt hatte und nicht mehr mitbekam, was sich als Nächstes abspielte. Kurz bevor ihr Boot um eine Kurve bog, hob Cassa Dar die Hand zur Wange des Sumpfmannes. Wo sie ihn berührte, verschwanden die Narben des Mannes, von Moosmagik weggewischt. Jaston betastete sein Gesicht mit ungläubigem Staunen in den Augen. Und als er sich Cassa Dar zuwandte, erhaschte Elena einen Blick auf noch etwas anderes in seinen Augen etwas, das die Vermutung nahe legte, Cassa Dars Interesse würde vielleicht nicht ganz unerwidert bleiben.
Elena lächelte vor sich hin und wandte sich nach vorn. Jaston hatte immer behauptet, er liebe den Sumpf. Jetzt hatte er Gelegenheit, es zu beweisen.
Beim Bug fluchte Er’ril plötzlich lautstark, da er sich eine Salbe, die ihm die Hexe mitgegeben hatte, auf den wunden Hals rieb. Seine Haut war blasig und rot, wo der Gifttentakel ihn berührt hatte. Dann wickelte er einen Verband um die Wunde und ließ sich tiefer im Boot nieder. »Ich bin froh, wenn wir mit diesem giftigen Landstrich nichts mehr zu tun haben«, murmelte er.
»Ich auch«, pflichtete Mikela ihm bei; ihre Stimme war nur ein Flüstern, während sie einen letzten Blick zurück warf.
Elena legte ihrer Tante die Hand aufs Knie. Es gab keine Salbe, um diese Art von Schmerz zu lindern. Elena konnte nicht mehr tun, als Mikela ihren Beistand anzubieten.
Ihre Tante ergriff Elenas Hand und ließ sie vorerst nicht wieder los.
Sie hatten noch eine lange Reise bis zur Küste vor sich.
30
Sechs Tage, nachdem sie Burg Drakken verlassen hatten, betrat Elena zum ersten Mal wieder festen Boden. Sie war etwas wackelig auf den Beinen nach den vielen Tagen, die sie durch marschiges Gebiet und auf schaukelnden Wasserfahrzeugen auf Sumpfwegen gereist waren. Sie rückte ihren Rucksack zurecht, um ein besseres Gleichgewicht zu haben, und betastete den Knöchel, den sie sich auf der Flucht die Burgtreppe hinauf verstaucht hatte. Es war nur noch ein dumpfes Ziehen zu spüren, wie
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