Alcatraz und die Ritter von Crystallia: Band 3 (German Edition)
Schweigens. Doch sie tun so, als wären sie harmloser als die Dunklen Okulatoren oder die Sekte der Geborstenen Linse, weil sie nur Bürokraten sind.«
»Nun«, sagte Sing, »ob sie nur eine Schau abziehen oder nicht, sie sind jedenfalls die einzigen Bibliothekare, die je einen Versuch unternommen haben, mit den Freien Königreichen zu verhandeln, statt sie nur erobern zu wollen. Diese Gesandte hat den Rat der Könige davon überzeugt, dass sie es ernst meint.«
Ich hörte interessiert zu, wusste aber nicht so recht, warum mein Großvater wollte, dass ich das erfuhr. Ich habe zwar erstaunliche Fähigkeiten (erwähnte ich das schon?), aber von Politik verstehe ich wirklich nicht viel. Sie ist eines der drei Gebiete, auf denen ich keinerlei Erfahrung habe. Die zwei anderen sind das Bücherschreiben und das Fliegen auf dem Rücken eines raketengetriebenen Pinguins. (Blödes Verantwortungsgefühl.)
»Ähm… und was hat das mit mir zu tun?«, fragte ich.
»Sehr viel, Junge, alles!« Grandpa Smedry zeigte auf mich. »Wir sind Smedrys. Als wir unser Königreich aufgaben, haben wir geschworen, über alle Freien Königreiche zu wachen. Wir sind die Hüter der Zivilisation!«
»Aber wäre es nicht gut, wenn die Könige mit den Bibliothekaren Frieden schließen würden?«
Sing machte ein bekümmertes Gesicht. »Für diesen Frieden müssten die Könige Mokia aufgeben, Alcatraz! Meine Heimat würde von den Ländern des Schweigens annektiert und in ein oder zwei Generationen würden die Mokianer sich nicht einmal mehr an ihre einstige Freiheit erinnern. Mein kleines Volk kann sich ohne die Unterstützung der anderen Freien Königreiche nicht gegen die Bibliothekare verteidigen. Alleine sind wir zu schwach.«
»Die Bibliothekare werden ihr Friedensversprechen sowieso nicht halten«, sagte Grandpa Smedry. »Sie sind schon lange scharf auf Mokia– ich weiß immer noch nicht, warum sie von allen Königreichen ausgerechnet dieses unbedingt haben wollen. Wenn sie Mokia übernehmen, auf welche Weise auch immer, sind sie der Weltherrschaft einen Schritt näher. Marternde Monde! Denkst du wirklich, wir können ein ganzes Königreich einfach so weggeben?«
Ich sah Sing an. Der hünenhafte Anthropologe und seine Schwester waren mir im Laufe der letzten Monate ans Herz gewachsen. Sie waren ernsthafte, aufrichtige und absolut loyale Menschen. Sing hatte selbst dann noch an mich geglaubt, als ich versucht hatte, ihn wegzustoßen. Deshalb wollte ich tun, was ich konnte, um ihm zu helfen.
»Nein«, sagte ich. »Ihr habt recht. Das können wir nicht zulassen. Wir müssen es verhindern.«
Grandpa Smedry legte mir lächelnd eine Hand auf die Schulter. Auch wenn es keine große Sache zu sein schien, für mich war es ein radikaler Wendepunkt. Zum ersten Mal entschied ich mich ganz bewusst dafür, mitzumachen. Die Bibliothek von Alexandria hatte ich nur betreten, weil ein Monster hinter mir her war. Und in Blackburns Versteck war ich nur eingedrungen, weil Grandpa Smedry mich dazu gedrängt hatte.
Diesmal war es anders. Nun verstand ich, warum mein Großvater mich hergerufen hatte. Er wollte mich dabeihaben– nicht nur als ein Kind, das mitlief, sondern als einen Verbündeten.
Irgendetwas sagt mir, dass es viel besser für mich gewesen wäre, wenn ich mich in meinem Zimmer verkrochen hätte. Verantwortungsgefühl. Das ist das Gegenteil von Egoismus. Ich wünschte, ich hätte gewusst, wo es mich hinführen würde. Aber das war vor meinem Verrat und bevor ich blind wurde.
Durch eines der Fenster konnte ich sehen, dass der Drache abwärtsglitt. Einen Augenblick später setzte die Gondel auf dem Boden auf.
Wir waren angekommen.
Kapitel 4
Ja, ich verstehe. Ihr blickt nicht mehr durch. Aber das muss euch nicht peinlich sein. Das passiert jedem ab und zu. (Außer mir natürlich.)
Wenn ihr die ersten beiden Bände meiner Autobiografie gelesen habt (und inzwischen bin ich mir sicher, dass ihr das getan habt), dann wisst ihr, dass ich mich gerne schlechtmache. Ich habe euch erzählt, dass ich ein Lügner, ein Sadist und ein schrecklicher Mensch bin. Doch jetzt, in diesem dritten Band, rede ich auf einmal davon, wie toll ich bin. Habe ich wirklich meine Meinung über mich geändert? Halte ich mich inzwischen tatsächlich für einen Helden? Trage ich nun Socken mit Kätzchen drauf?
Nein. (Auf meinen Socken sind Delfine.)
Ich habe etwas erkannt. Dadurch, dass ich in den vorherigen Bänden so selbstkritisch war, kam es so rüber, als wäre ich
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