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Alchemie der Unsterblichkeit

Alchemie der Unsterblichkeit

Titel: Alchemie der Unsterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Pflieger
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auf den alten Mann. »Icherios Ceihn, Gelehrter und Assistent der Stadtwache«, stellte er sich stammelnd vor. Er hoffte, dass Freyberg die Übertreibung nicht auffiel. Seine Arbeiten als Gelehrter beschränkten sich auf gelegentliche Aufträge zur Herstellung von Rattengift und Mottenkugeln, und für die Stadtwache war er kaum mehr als ein Maskottchen.
    Freyberg rückte grummelnd seine Perücke zurecht. Was dachte sich Raban dabei, ihm diesen Tollpatsch zu schicken? »Komm herein, mein Junge.« Blinzelnd spähte er zu Icherios hinauf, der sich mittlerweile gefangen hatte. Der Bursche überragte ihn um ein gutes Stück. »Kein Grund dich im Regen stehen zu lassen, wachsen musst du wahrlich nicht.« Freyberg drehte sich um und marschierte zügigen Schrittes einen breiten Gang hinunter.
    Es blieb Icherios überlassen, die Tür zu schließen. Den Flur schmückte eine prächtige Holzvertäfelung. Öllampen spendeten schummeriges Licht. In den Ecken und auf den Lampenhalterungen hatte sich der Staub unzähliger Jahre gesammelt. Icherios fühlte sich sofort zuhause.
    Die Decke schien neueren Ursprungs zu sein. Ebenfalls aus Holz getäfelt zogen sich rote Linien in undurchschaubaren Mustern über die gesamte Länge. Trotz ihrer scheinbar willkürlichen Anordnung, vermeinte Icherios ein System zu erkennen. Er war so in seine Betrachtungen vertieft, dass er erst bemerkte, dass Freyberg durch eine Tür verschwand, als er bereits an ihm vorbeigegangen war. Der alte Mann schüttelte ungeduldig den Kopf, enthielt sich aber eines Kommentars. Icherios musste sich ducken, um unter der niedrigen Tür hindurch zu passen. Als er aufblickte, schreckte er zurück, sodass sein Hinterkopf hart gegen den Türrahmen prallte. Schmerzerfüllt jaulte er auf. Vor ihm ragte das Antlitz einer riesigen Bestie in die Höhe. Beschämt stellte er fest, dass das Ungeheuer lediglich das gewaltige Skelett eines urtümlichen Monsters war. Er hatte Derartiges bereits gesehen, doch noch nie ein solch großes Exemplar. Icherios rückte seine Brille mit den gelb getönten Gläsern zurecht. Seine Sehschärfe war ausgezeichnet, aber er gefiel sich dabei, seine Andersartigkeit zu betonen. Staunend umrundete er das Gerippe, während er sein schmerzendes Haupt rieb. Freyberg packte Icherios am Arm, um ihn um einen Stuhl herumzuführen, auf dem sich die Abhandlungen Dreyers über den Ursprung der Welt stapelten. Dabei rutschte der überlange Ärmel von Icherios’ weißem Hemd hoch und entblößte eine Reihe von Narben quer über die Handgelenke.
    »Schneid das nächste Mal längs in den Arm, nur so trennst du die Adern erfolgreich auf.«
    Icherios kehrte sofort auf den Boden der Tatsachen zurück. Hastig verdeckte er die Male. »So war es nicht.« Seine Miene verfinsterte sich. »Zumindest glaube ich das.«
    Freyberg besaß genug Erfahrung, um das Thema vorerst fallen zu lassen. Mit einer weitläufigen Bewegung deutete er in den Raum. »Die Bibliothek der Kanzlei.«
    Icherios erfasste erst jetzt ihre unglaubliche Größe. Das kuppelförmige Dach ließ vermuten, dass es sich ursprünglich um einen Ballsaal gehandelt hatte, der nun unzählige hohe Bücherregale beherbergte. An der Decke hingen die Skelette verschiedenster Kreaturen. Auf Tischen und Stühlen stapelten sich Bücher und Pergamente. Unter einem Bleiglasfenster, durch das fahles Tageslicht fiel, ruhte ein massiver Eichenholztisch, auf dem ein komplizierter alchemistischer Versuch dampfte und zischte. In den Kolben blubberten verschiedenfarbige Flüssigkeiten. Ein strenger, süßlicher Geruch wehte herüber und überlagerte den Duft von alten Knochen und modrigem Papier. Wo kein Buch lag, fanden sich Sezierbestecke und eiserne Apparate, deren Verwendungszweck Icherios nicht zu ergründen vermochte. Ausgestopfte Tiere verstellten die Gänge. Manche von ihnen schienen der Fantasie eines wahnsinnigen Präparators entsprungen zu sein. Der Raum war warm, obwohl Icherios keinen Kamin entdecken konnte. Stattdessen verliefen dicke, metallene Rohre an der Decke, aus denen zischender Dampf entwich – eine Erklärung für die hohe Luftfeuchtigkeit in der Bibliothek.
    Freyberg gab dem Gelehrten ausreichend Zeit, die Eindrücke in sich aufzunehmen. Er erinnerte sich daran, wie er selbst vor Jahren staunend hier gestanden hatte. Er vergewisserte sich, dass Icherios ihn nicht beachtete. Dann sprang er ungewöhnlich schnell und mit nur vier Sätzen zum anderen Ende des Saales, ergriff eine Obstplatte und eilte zurück.

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