Alex Rider 4/Eagle Strike
eine unglaubliche Selbstbeherrschung aus.
»Der Tag ist gekommen!«, sagte Cray. »Der Tag, an dem ich der ganzen Welt Gameslayer vorstellen möchte, meine neue Computerspielkonsole.« In Crays klarer Stimme klang nur ganz leicht ein amerikanischer Akzent mit. »Das Spiel kann Welten erschaffen, Figuren und absolut komplexe physische Simulationen erzeugen, und zwar in Echtzeit. Das alles ist dem Floating-Point-Processor des Systems zu verdanke n – es ist, mit einem Wort, ein gewaltiges Programm. Andere Systeme zeigen Ihnen Plastikpüppchen im Kampf gegen Figuren, die aussehen, als hätte man sie aus Pappe geschnitten. Bei Gameslayer sehen Haare, Augen, Hautfarbe, Wasser, Holz, Metall und Rauch genauso aus wie im wirklichen Leben. Wir haben die physikalischen Gesetze streng beachtet, zum Beispiel Schwerkraft und Reibung. Aber es kommt noch besser: Wir haben auch etwas eingebaut, das wir Schmerzsimulation genannt haben. Was das heißt? Sie werden es gleich selbst herausfinden!«
Er machte eine Pause. Die Zuschauer klatschten.
»Bevor ich jetzt mit der Vorführung beginne, möchte ich den Journalisten unter Ihnen die Gelegenheit geben, Fragen zu stellen.«
Ein Mann in der vordersten Reihe hob die Hand. »Wie viele Spiele bringen Sie dieses Jahr heraus?«
»Heute bringen wir die Spielkonsole und ein Spiel heraus«, antwortete Cray. »Aber bis Weihnachten werden noch zwölf weitere Spiele in die Läden kommen.«
»Wie haben Sie das erste Spiel genannt?«, rief jemand.
» Feathered Serpent «, antwortete Cray. »Nach dem Aztekengott Quetzalcóatl, der häufig als gefiederte Schlange dargestellt wurde.«
»Geht’s dabei ums Töten?«, wollte eine Frau wissen.
»Na ja, das auch«, gab Cray zu. »In der Hauptsache geht es aber um Geschicklichkeit und Kampfkraft.«
»Das heißt also, es wird gezielt geschossen?«, hakte die Frau nach.
»Ja.«
Die Frau lächelte, aber ihr Gesicht blieb dabei völlig humorlos. Sie war etwa Mitte vierzig und mit ihrem grauen Haar und der strengen, ernsten Miene wirkte sie ein wenig wie eine Lehrerin. »Es ist allgemein bekannt, dass Sie Gewalt verabscheuen«, sagte sie sehr laut. »Wie können Sie es da verantworten, den Kindern gewalttätige Computerspiele zu verkaufen?«
Unruhe kam in der Zuschauermenge auf. Die Frau mochte Journalistin sein, aber den meisten Gästen schien es peinlich, dass sie Cray mit ihren Moralfragen löcherte. Schließlich tranken alle seinen Champagner und aßen von seinem Büfett.
Aber Cray schien keineswegs beleidigt. »Gute Frage«, antwortete er mit seiner sanften, melodiösen Stimme. »Und ich kann Ihnen versichern, dass wir zuerst ganz anders angefangen haben. Wir haben eine Ur-Version entwickelt, in der der Held verschiedenfarbige Blumen in einem Garten sammeln und hübsch in einer Vase arrangieren musste. Seine Gegenspieler waren Häschen, die die Blumen fressen wollten, und der Held erhielt zur Belohnung ein Rohkost-Sandwich. Und wissen Sie, was dann passierte? Unser Forschungsteam machte die erstaunliche Entdeckung, dass die Kinder heutzutage nicht mit so etwas spielen wollen. Können Sie sich das vorstellen? Unsere Marktforschung behauptet allen Ernstes, dass wir davon kein einziges Spiel hätten verkaufen können!«
Im Publikum setzte lautes Gelächter ein. Cray hatte die Journalistin gerade lächerlich gemacht, sie wirkte ziemlich verlegen.
Cray bat wieder um Ruhe. »Natürlich haben Sie den Finger auf die wunde Stelle gelegt«, gab er zu. »Denn es stimmt j a – ich verabscheue Gewalt. Aber echte Gewal t … Krieg. Und Sie wissen vielleicht, dass heutige Jugendliche jede Menge Aggressionen mit sich herumtragen. Das ist die schlichte Wahrheit. Ich glaube, es liegt in der menschlichen Natur. Und ich bin irgendwann zu der Überzeugung gekommen, dass es besser ist, wenn sie ihre Aggressionen an einem Computerspiel wie unserem abreagieren als auf der Straße.«
»Trotzdem!«, beharrte die Journalistin stur. »Ihr Spiel fördert die Gewalt!«
Damian Cray runzelte die Stirn. »Ich glaube, dass ich Ihre Frage jetzt wirklich ausführlich beantwortet habe. Wollen Sie sich nicht endlich mit meiner Antwort zufriedengeben?«
Die Bemerkung wurde mit großem Applaus begrüßt. Cray wartete, bis es wieder still wurde. »Aber jetzt haben wir genug geredet!«, rief er. »Sie sollen jetzt Gameslayer endlich selbst sehen, und sehen kann man das Spiel am besten, wenn es gespielt wird. Ich möchte mal fragen, ob sich auch Teenager unter Ihnen befinde n …
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