Alex Rider 4/Eagle Strike
Tempelbezirk. Hinter schwer vergitterten Fenstern blitzten elektrische Lichter auf. Überwachungskameras verfolgten jede von Alex’ Bewegungen.
»In der ersten Kammer solltest du nach zwei Waffen suchen«, riet ihm Cray, der über Alex’ Schulter blickte. »Später wirst du sie vielleicht gut brauchen können.«
Die erste Kammer war riesig. Orgelmusik dröhnte und durch die bemalten Fensterscheiben waren Kornfelder, Kornfeldkreise und darüber schwebende Raumschiffe zu sehen. Alex hatte keine Schwierigkeiten, die erste Waffe zu finden: An der Mauer hing ein Schwert. Aber er merkte schnell, dass überall Fallen eingebaut waren. Ein Teil der Mauer stürzte ein, als er versuchte, daran hinaufzuklettern, und als er nach dem Schwert griff, aktivierte er unwissentlich ein Geschoss, das aus dem Nichts auf seinen Doppelgänger, den Avatar, zuraste. Das Geschoss war ein doppelter Bumerang mit rasiermesserscharfen Kanten, der geradezu mit Lichtgeschwindigkeit zu rotieren schien. Alex wusste, dass ihn dieses Geschoss in zwei Hälften zerlegen würde, wenn es ihn traf.
Hektisch presste er die Daumen auf die Konsole. Sein Avatar duckte sich und der Bumerang schoss dicht an ihm vorbe i – so dicht, dass eine seiner scharfen Kanten den Avatar am Arm erwischte und leicht verletzte. Die Zuschauer stöhnten auf: ein dünner Blutstrom erschien auf dem Arm der Figur und ihr Gesich t – Alex’ Gesicht ! – verzerrte sich vor Schmerzen. Die Darstellung war dermaßen realistisch, dass Alex unwillkürlich auf seinen echten Arm hinabsah. Erst Sekunden später wurde ihm klar, dass nur sein Avatar verwundet war, nicht er selbst.
»Schmerzsimulation!«, verkündete Cray und wiederholte das Wort gleich noch einmal. Seine Stimme durchbrach das gespannte Schweigen, das nun im Game Dome herrschte. »In unserer Gameslayer-Welt durchleben wir alle Gefühle des Helden. Und sollte Alex dabei umkommen, sorgt der Prozessor dafür, dass wir sogar seinen Tod zu spüren bekommen.«
Alex war inzwischen wieder von der Mauer heruntergeklettert und suchte nach der zweiten Waffe. Die kleine Wunde heilte bereits, sie blutete schon sehr viel weniger. Er duckte sich, und ein zweiter Bumerang schoss knapp über seiner Schulter an ihm vorbei. Aber die zweite Waffe hatte er noch immer nicht entdeckt.
»Schau doch mal hinter dem Efeu nach«, flüsterte ihm Cray mit der Lautstärke eines halb tauben Theatersouffleurs zu. Im Publikum gluckste jemand, weil Alex schon jetzt Hilfe brauchte.
In einer Nische war eine Armbrust versteckt. Aber was Cray Alex nicht verraten hatte, war, dass der Efeuvorhang, hinter dem sich die Nische verbarg, unter 1 0 00 0 Volt Strom stand. Alex brauchte nicht lange, um es selbst festzustellen. Als sein Avatar den Efeu berührte, zuckte ein blauer Blitz heraus. Die Figur wurde zurückgeschleudert. Sie schrie; ihre Augen waren weit aufgerissen und starr. Der Avatar war zwar noch nicht tot, aber sehr schwer verletzt.
Cray tippte Alex auf die Schulter. »Du solltest wirklich ein wenig vorsichtiger sein«, empfahl er.
In der Zuschauermenge setzte ein heftiges Getuschel ein. So etwas hatten die Leute noch nie gesehen.
Vielleicht war das der Grund dafür, dass Alex in diesem Augenblick einen Entschluss fasste. Plötzlich waren MI6, Yassen, Saint-Pierre und alles andere vergessen. Cray hatte ihn ausgetrickst, hatte ihn dazu gebracht, den Efeu zu berühren. Er hatte ihn ganz bewusst verletzt. Natürlich war alles nur ein Spiel. Nur der Avatar war verletzt. Aber die Schande, die Erniedrigung empfand der echte Alex. Und dieser Alex war jetzt entschlossen, Feathered Serpent zu besiegen. So leicht gab Alex nicht auf! Und er hatte nicht die geringste Absicht zu »sterben«, nur damit Cray seinem Publikum Alex’ Todessimulation vorführen konnte!
Grimmig entschlossen packte sein Avatar die Armbrust und marschierte noch tiefer in die Aztekenwelt hinein.
Die zweite Kammer bestand aus einem riesigen Loch im Boden. Eigentlich war es eine Grube, etwa 5 0 Meter tief, aus der dünne Säulen emporragten. Um auf die andere Seite zu gelangen, musste der Avatar von Säule zu Säule springen. Verfehlte er eine Säule oder sprang er zu weit, würde er in die Tiefe und damit in den Tod hinabstürzen. Und um die Sache noch ein wenig schwieriger zu machen, setzte ein heftiger Wolkenbruch ein, sodass die Säulenoberflächen sehr glitschig wurden. Sogar der Regen war auf höchst ungewöhnliche Weise simuliert. Wie Cray dem Publikum erklärte, war für den
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