Alicia II
wenn ich versagte, schrie er vor Freude, und wenn ich eine Ruhepause verlangte, zog er ein mürrisches Gesicht. Stacy mußte sich einigen dieser Rituale ebenfalls unterziehen, aber Ben erklärte, im allgemeinen sei er in besserer Form als ich, und so durfte Stacy anderen Sitzungen fernbleiben. Diese Bevorzugung Stacys ärgerte mich und spornte mich gleichzeitig an.
Jeden dritten Tag – denn nach jedem Gebrauch des Absorbers mußten zwei Tage vergehen – überwachte Ben Stacy und mich, während wir zwei bis vier Stunden lang unter dem Helm saßen. Ich hatte noch keine Erfahrungen mit der Absorption von Kenntnissen und war deshalb auf die mystische Seite der Angelegenheit unvorbereitet. Wenn ich den Helm auf den Kopf gesetzt und die Anfangsperiode, in der meine geistige Aktivität gewaltsam abgeschaltet wurde, hinter mich gebracht hatte, empfand ich in der folgenden Periode einer beinahe lethargischen Meditation so etwas wie eine merkwürdige Vereinigung mit einem Gott, an den ich nicht glaubte. Mein falscher Gott war tröstlich. Seine umgängliche Launenhaftigkeit und meine spöttische Verehrung gefielen mir recht gut. Wenn ich mich jetzt daran erinnere, kommt mir der Gott mehr und mehr wie Ben vor. Vielleicht habe ich seine Persona auf meine Gottgestalt projiziert. War das Gehirn richtig entspannt und aufnahmebereit, begannen die Informationen – zuvor von Ben programmiert – in es einzufließen. Anfangs schien das langsam zu gehen. (Sobald ich unter dem Absorber-Helm saß, hatte ich kein Zeitgefühl mehr.) Kleine Stückchen offenbar unzusammenhängender Daten drangen in die Oberfläche meines Bewußtseins ein.
Dann beschleunigte sich der Prozeß allmählich. Bald waren die Informationen wie ein Himmel fallender Sterne. Isolierte Wissensgebiete betraten mein Gehirn in Schwüngen und Kurven. Später kam der Zusammenhang. Ich fing an, Feinheiten zu verstehen, die integrierter Bestandteil der wachsenden Datenmasse waren. Wenn der Absorber mir zum Beispiel Informationen über den Grundriß der Washingtoner Erneuerungskammer lieferte, nahm ich sie nicht nur als Blaupause wahr, als einen Plan, der mich mit den genauen Umrissen bekanntmachte. Gleichzeitig wurde mir eine detaillierte Ansicht übermittelt, einschließlich solcher Einzelheiten wie Bilder an den Wänden und die exakte Position der Schalter. Weiter wurde das nackte Tatsachenmaterial dahingehend analysiert, welche verschiedenen Möglichkeiten eine Stelle der Baulichkeiten bot, wenn bei der Mission der ursprüngliche Plan geändert werden mußte. Es waren angsterregende Informationsstückchen dabei, an welchen Stellen das Risiko besonders hoch sei, welche Gänge die besten Gelegenheiten zur Flucht boten, welche Schwächen des Personals wir zu unserm Vorteil ausnützen könnten und so weiter. Nach und nach lernte ich, wie verschiedene Geräte und Systeme funktionierten, um die ich mich bei der Mission überhaupt nicht zu kümmern brauchte – nur für den Fall, daß sich eine Situation ergab, in der mir dies Wissen nützlich sein mochte. Mir wurden Geschichte, philosophische Folgerungen und eine Auswahl einschlägiger Literatur eingeflößt, was alles auf merkwürdige Weise mit dem allgemeinen Ziel zusammenhing. In einer Sitzung lernte ich alles über einen bestimmten Abschnitt, und in der nächsten kam ein anderer dran. Schließlich war ich überzeugt, daß nichts mehr fehlte, was es für die Mission zu lernen gab. Bei anderen Sitzungen erhielt ich alle bekannten Informationen über den Ablauf des Erneuerungsprozesses, über die psychologischen Kniffe der Sicherheitsbeamten und über die Speisepläne eines ganzen Monats der drei Cafeterias, die sich an strategischen Punkten in der Erneuerungskammer befanden.
Ich fragte Ben, warum er Dinge wie die Speisepläne einprogrammiert habe. Er sagte, all das gehöre zu der Verkleidung, in der Stacy und ich durch die Gänge der Kammer gehen würden. Irgendwer könne eine Bemerkung über das Essen des Tages machen. Es war wichtig, daß wir wußten, was es gegeben hatte, um eine unschuldig klingende Antwort parat zu haben.
Es war nicht überraschend, daß ich bald das Gefühl hatte, über die Washingtoner Erneuerungskammer, ihre Umgebung, den Erneuerungsprozeß und alle Facetten der Mission viel mehr zu wissen, als notwendig war. Als ich mich in diesem Sinn Ben gegenüber äußerte, meinte er: »Sei nicht allzu zuversichtlich, Sportsfreund. Informationen sind nicht mehr als eben Informationen. Die Mission mußt immer
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