Alicia II
Sünden, meiner Vergangenheit, meinem Verrat erlauben, mir den Genuß zu beeinträchtigen. Manchmal dachte ich an Ben und die Operationen, die er mir versprochen hatte, und es amüsierte mich. Ben hätte es bestimmt auch amüsiert. Fast konnte ich seine anspornenden Zurufe bei jedem neuen sexuellen Erlebnis hören, fast sein billigendes Nicken bei jedem Eindringen sehen.
Ich zog von Stadt zu Stadt. An jedem Ort suchte ich nur die Frauen, nur die Vergnügungen. Ich warf selten einen Blick auf das, was außerhalb dunkler Zimmer vor sich ging. Ich wollte nicht erkannt werden, wenn es auch, wie ich recht gut wußte, unmöglich war, daß mich irgendwer in meinem neuen Körper erkannte. Aber nein, das stimmte nicht. Ben würde mich erkennen. Er würde mich erkennen, wenn ich im Körper einer buckligen Fischersfrau zurückkam.
Natürlich konnte all das nicht lange dauern. Einmal mußte ich aus dem Rausch erwachen.
Immer wieder träumte ich von Stacy. Er blickte sich an dem Ort, wo ich mich gerade befand, um, starrte mich an und fragte: »Dafür bin ich gestorben?« Und dann lachte ich, und er lachte, und dann redete er darauf los und meinte, früher sei es ihm nie möglich gewesen, mir das alles zu erzählen. Wenn ich aufwachte, erinnerte ich mich nie, was er gesagt hatte.
Als er mich zu oft im Traum heimgesucht hatte, wußte ich, es war Zeit, nach Alicia zu suchen. Es genügte nicht, daß ich aus dem Rausch erwachte, ich mußte auch Alicia finden. Wie sich herausstellte, war es nicht zu schwierig. Ich fand Zugang zu radikalen Kreisen und erwarb mir ihr Vertrauen (das Vertrauen war auf drei besonders häßliche Aufgaben zurückzuführen, die ich erledigte), und dann stellte ich ein paar diskrete Fragen und folgte Alicias Spuren bis Denver. Ich hatte gefürchtet, die Informationen, die Michael von mir bekommen hatte, hätten es seinen Agenten ermöglicht, sie zu finden. Aber sie hatte ihre Alicia-Identität bereits aufgegeben und lebte jetzt vollständig im Untergrund, ohne eine Schein-Identität in der Außenwelt zu haben.
17
Ben war ebenfalls in Denver, und ich sah ihn als ersten. Wie ich erwartet hatte, erkannte er mich auf der Stelle, doch diesmal erschrak er dabei.
»Ich hätte nie geglaubt, daß du zurückkommen würdest. Allerdings muß ich gestehen, daß ich gehört habe, amtlicherseits habe es einige Kontroversen wegen deiner Eliminierung gegeben.«
»So war es.«
»Was ist geschehen?«
Ich erzählte es ihm. Er hörte auf seine professionelle Weise zu. Ich hatte Schwierigkeiten damit, ihm den Teil über Michael zu berichten.
»Und du fühlst dich schuldig, daß du uns verraten hast?« fragte er.
»Einigermaßen.«
»Einigermaßen? Sehr, hoffe ich.«
»Du weißt es. Anfangs wollte ich dich nicht wiedersehen. Dich nicht und auch Alicia nicht.«
»Ich bin froh, daß du deine Meinung geändert hast. Vielleicht wird auch Alicia froh sein. Sie ist etwas prinzipienstrenger als ich. Aber ich glaube …«
»Was?«
»Ich weiß es nicht. Ich kann nur sagen, was ich immer sage, wenn du nach langer Zeit zurückkommst. Ich freue mich wirklich sehr, dich zu sehen, Voss.«
»Okay.«
»Bitte mich nur nicht gerade jetzt um Verzeihung.«
»Das werde ich nicht tun.«
Ich erkundigte mich, wie es ihm in dem letzten Dutzend Jahren ergangen sei. Er vermied es, in Einzelheiten zu gehen, aber ein paar Dinge holte ich aus ihm heraus. Er hatte versucht, seine Doppelrolle als Berater sowohl der Regierung als auch der radikalen Elemente weiterzuspielen. Dann entdeckte ein amtlicher Untersuchungsausschuß eine Verbindung zwischen Stacy und June Albright und natürlich die Verbindung zwischen ihr und Ben. Sie hatte seit einiger Zeit nicht mehr für Ben gearbeitet und wußte tatsächlich nur wenig über sein Doppelspiel. Aber sie wußte gerade genug, um Ben in Verdacht zu bringen. Von da an wurde er genauer beobachtet.
Schließlich hielt er es für zu gefährlich, seine offizielle Identität beizubehalten, und so gab er sie auf und ging ganz in den Untergrund.
»Und das war gut so, wie mir dein Bericht beweist. Wir haben eine Menge getan. Es gibt mehr zu tun. Wir sind aktiver geworden, sorgen für mehr Unruhe. Was wir auch tun, es muß funktionieren. Aus den letzten Berichten geht hervor, daß weniger Wiederverwertungskörper zur Verfügung stehen als je zuvor. Übrigens hast du wieder einmal einen guten Körper erwischt. Das war wohl eine „glückliche Wiederauferstehung“, wie sie es nennen. Ich würde dich
Weitere Kostenlose Bücher