Alien Earth - Phase 1
ein, ließ keine Anzeige, die ihm das System vorschlug,
ungelesen. Und das mit einer Hingabe, die keinen Raum für Zweifel ließ und nicht einmal von dem Anflug einer Ahnung befleckt war, dass die Welt möglicherweise nicht in Schwarz und Weiß zerfiel, dass er nicht automatisch auf der Seite der Guten stand, dass ein Partner nicht zwangsläufig den Fels in der Brandung darstellte und einem bedingungslos zur Seite stand, sondern sich wie ein komplettes Arschloch aufführen konnte, und dass dieses Arschloch sich eines Tages als ein Alien entpuppte und abtauchte - woraufhin man feststellte, dass man alles dafür gegeben hätte, ihn wieder zurückzuholen …
Ekin konnte sich nicht helfen. Immer wieder lugte sie hinter ihrem Display hervor, um einen Blick auf das Bubigesicht ihres neuen Partners zu erhaschen.
Sie sah ihrem jüngeren Selbst ins Gesicht. Sie war einmal nicht anders gewesen.
Es war unerträglich.
Ekin fuhr die Krallen aus. Sie fuhr dem Jungen über den Mund, ignorierte seine Fragen, gab kryptische Antworten oder verspottete ihn. Kurz: Sie machte den Paul. So gut, dass Paul stolz auf sie gewesen wäre.
Ekin war es nicht.
Sie widerte sich selbst an. Einen Tag lang, der nicht zu Ende gehen wollte.
»Erzähl mir von Paul.«
Trixie saß ihr gegenüber im Bett, nackt wie sie selbst. Ihre Knie berührten sanft die ihren. Das Display des Thermostats, das den Raum in sanftes, an eine Kerze erinnerndes Schummerlicht tauchte, zeigte 27,9 Grad. Eine kuschelig warme Höhle, die Ekin beim Auschecken aus dem Hotel teuer zu stehen kommen würde. Die Heizung kam extra. Aber das war es ihr wert. Es war genau das, was sie im Augenblick brauchte: eine warme Höhle, in die sie sich verkriechen konnte, um der rauen Welt irgendwann später mit neuer Kraft ins Auge sehen zu können.
»Was soll ich dir noch erzählen? Du kennst ja meine Klagen zur Genüge. Und du hast dir bestimmt Pauls Akte besorgt, nicht?«
»Klar.« Trixie hatte die Haare zu Zöpfen geflochten. Wären nicht die Fältchen um ihre Augen gewesen, hätte Ekin sie mit ihrem strammen Körper und den kleinen Brüsten für einen Teenager halten können. Wie alt war Trixie eigentlich? Ekin hatte die Frage nie gestellt, weder sich selbst noch Trixie. Älter, das stand fest. Aber wie alt? Vierzig? Oder schon fünfzig? Es gab vieles, was sie nicht über Trixie wusste. »Und ich habe den Tag mit nichts anderem verbracht, als sie zu lesen.«
»Wieso fragst du dann? Du weißt ja sowieso schon alles. Wahrscheinlich kennst du Paul jetzt besser als ich.« Ekin war müde, unendlich müde. Der Tag als Paul hatte Kraft gekostet. Sie wollte nicht diskutieren. Nicht jetzt.
Falls Trixie es bemerkte, überging sie es. »Das bezweifle ich«, sagte sie, statt - wie von Ekin erhofft - sie in die Arme zu nehmen. »Aber nicht gut genug, um weiterzukommen. Wir haben zwei Botschaften von Paul - und ich verstehe weder die eine noch die andere auch nur im Ansatz, genauso wenig wie du es tust. Wir müssen etwas übersehen haben. Ich frage mich, was es sein könnte.«
Ekin raffte sich auf, ging zum Kühlschrank, um sich Wasser mit Eis zu holen. Auf dem Rückweg gab sie dem Zimmercomputer die Anweisung, die Temperatur um zehn Grad herunterzufahren. Die Hitze war gut zum Kuscheln. Zum Nachdenken und Diskutieren dagegen …
»Also gut«, sagte sie dann und setzte sich betont gerade auf das Bett. »Fangen wir von vorne an. Pauls erste Botschaft. ›Fischer‹ und ›14.500‹. Das ist einfach. Die Botschaft ist gar keine. Paul wollte nicht, dass ich sehe, was er schreibt. Ich habe ihn bei einem seiner Deals erwischt. Mehr steckt nicht dahinter. Wir verschwenden unsere Zeit, wenn wir uns darüber den Kopf zerbrechen.«
»So scheint es. Aber ist es wirklich so?«
»Was sonst? ›Fischer‹ muss der Name des Mannes sein, mit
dem er handelt, ›14.500‹ die Anzahl der Waren oder von mir aus der Preis. Beides passt. Und es ist ziemlich aussichtslos, dem nachzugehen. Der Name und die Zahl können alles oder nichts bedeuten.«
»Da hast du leider recht. Deshalb habe ich meine Beziehungen beim Korps spielen lassen und …«
Ekin fuhr hoch. »Du hast was? Das ist gegen unsere Abmachung! Ich hatte dich gebeten, mir zu helfen, als Freund, vielleicht als mehr. Nicht darum, das Korps einzuschalten!«
»He, kein Grund zur Aufregung. Du hast es ja schon gesagt: Der Name und die Zahl passen zu allem oder nichts. Niemand beim Korps hat Verdacht geschöpft, dass sie etwas mit Paul zu tun haben
Weitere Kostenlose Bücher