Alkor - Tagebuch 1989
bot ihr an, die Verfilmung beispielsweise des Anfangs (Licht
anknipsen) oder der Klavierstunde mit dem Roman zu vergleichen, stieß aber auf Unverständnis. Sie wollte«Bürgerliches»entlarven. Na denn, in Gottes Namen!
Ida Ehre ist gestorben. Ich saß beim Lenz-Geburtstag neben ihr, das war ziemlich anstrengend, da sie offenbar fast taub war. Ich sollte einen Stuhl in ihrem Theater bezahlen - das sah ich irgendwie nicht ein. Wo ich doch nie ins Theater gehe? Knaus: Ich habe auch einen gekauft.
Im Archivgang liegen hereingewehte Blätter des letzten Herbstes auf dem Teppich.
Nartum/Hamburg
So 19. Februar 1989
Welt am Sonntag: CSU beschließt Verfassungsklage gegen Abtreibung / Einstimmige Entscheidung des Kleinen Parteitages - Zustimmung aus der CDU
Sonntag: Eine Art Revolution. Unsere antifaschistische Justiz. Von Hans Jacobus
Hamburg, bei Knaus. Wir aßen auf dem Süllberg in Blankenese. Ich machte Fotos. Die Frauen können gut miteinander.
Auf der Terrasse saß ich 1943, mit meiner Tante, noch vor den Angriffen war das, und trank da eine Brause. Große Freiheit Nr. 7. Auch bei Sagebiel hab’ ich schon gesessen.
Corino hat ein Buch über Musil geschrieben, daß er die Syphilis gehabt hat und nur 1,64 groß war. Ein bißchen überflüssig kommt es mir vor, daß er nach den Vorbildern für Musils Romanfiguren gesucht hat. Außer ihm interessiert sich wohl niemand dafür, wie«Moosbrugger»wirklich ausgesehen hat. Ist schon das Interesse der Leser an Musil (leider) gleich null, so werden dieses 168-Mark-Buch leider nur Bibliotheken kaufen. Über Thomas Mann gibt es auch so ein Buch, aus dem mir nur die Karikatur von Permaneder haften geblieben ist und das Foto vom Vater auf dem Totenbett, die brennenden Kerzen und die
Palmen, beide Abbildungen aber wohl nur, weil man sie schon x-mal gesehen hat. Das Bild, das in uns entsteht, hat damit nichts zu tun.
Post: Die Dame aus Berlin 46 schreibt, sie hat die«Tadellöser»-Filme gesehen. Und:
Da ich die erste Sendung 1985 auch im Fernsehen gesehen habe, entsinne ich mich, daß der Schluß ganz anders war. Nun überlegen sich meine Gedanken, warum hat jetzt der Film ein so abruptes Ende? Wegen Mangel an Sendezeit - kaum! Weil das Schlußband verlegt wurde - Ausrede! Weil der Verfasser, also Sie, es wünschte - wohl kaum! Da bleibt nur noch, man opfert die Wahrheit im Sinne der Politik …?
Weil ihr Bericht über Schlesien überwiegend«Sodom und Gomorrha»sein würde, will sie lieber nichts schreiben. Niemand begreift, daß auch«Meine sieben Kinder»von Frau Zacharias zu meiner Chronik gehört. Es ist sonderbar und kränkend, daß der Verlag nicht einmal die sogenannten«Befragungs-Bücher»dazu zählt.
Bin matt, kann mich zu nichts aufraffen. Ich setzte mich ans Telefon, aber da machte ich dann wieder die Erfahrung: Wenn du den ersten nicht an die Strippe kriegst, dann sind auch alle anderen nicht da. Ich rief sogar Keele an - vergeblich.
Dann habe ich gesagt: Du gehst jetzt Post machen, und dann ging es wieder für eine Weile. Wenn schon nicht Arbeit als Droge, so doch als Medizin.
Das alte Fernsehporträt von Wilhelm Lehmann aus dem Jahr 1958. Die Flickenschild wisperte seine Naturverse, dazu kommen Wolken im Gegenlicht ins Bild. Dann der alte Herr, mit singender Stimme über seine Dichtung. Auch kraftvolle Jugend ist zu sehen, in Schulbänken von 1890, Blumen sezieren, als wenn nichts gewesen wäre. Über 30 Jahre ist das her.
Hamburg
Mo 20. Februar 1989
Bild: Gunilla Bismarck Scheidung/AL-Rückzug/Momper entsetzt /Platzt Rot - Grün?
ND: Anerkennung für Leistung in Betrieb und Wohngebiet/ Aussprachen in Arbeitskollektiven über kommunalpolitische Bilanz
Ich kaufte von Janssen das«Hinkepot»-Buch. Ich hatte ihm die«Hundstage»geschickt, mit besonderer Widmung, er hat leider nicht darauf reagiert, sonst hätte ich jetzt ein Autogramm von ihm. - Tolle Geschichten sind über ihn im Umlauf. Einmal hat er einen Preis gekriegt, da hat er das Preisgeld genommen und ist in eine Taxe gestiegen und hat gesagt: Jetzt fahren Sie mich so lange um die Alster herum, bis das Geld alle ist.
Für KF spanische Comics, damit er Appetit auf die Sprache kriegt. Da er arbeitslos ist, habe ich ihm empfohlen, bis er etwas Neues hat, Spanisch zu lernen und den Lastwagenführerschein zu machen. Er hatte sich um ein Praktikum beim NDR beworben. Als sie dort erfuhren, daß er mein Sohn ist, war die Sache sofort gestorben. Demokratie heute: Sippenhaft.
Für M/B bei
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