Alkor - Tagebuch 1989
hat darunter gelitten, daß die Leute immer nur sein berühmtes Violinkonzert hören wollten. Riemann schreibt ihm, gegenüber Brahms, eine bequemere Verständlichkeit zu. Mit 14 Jahren führte er eine eigene Symphonie auf. Neuerdings hört man dauernd sein«Kol Nidrei». Unendlich viele Chorwerke hat er geschrieben und drei Symphonien.
Erschöpfung der«Goldgrube», Angst vor der Leere, Bedrohung durch die nächste Riesen-Aufgabe - ich falle von alberner Lustigkeit in weinerliche Depression, manchmal geschieht das im Sechs-Stunden-Rhythmus. Man kann nichts dagegen tun. Ich müßte es auskosten. Selbst diese Erfahrung in Energie ummünzen.
Als ich heute um den Wald meine Runden drehte, folgte mir ein Mann auf der Straße. Lief praktisch neben mir her. Ich ging ins Haus und schloß die Tür krachend.
Nartum
Mi 22. Februar 1989
Bild: Corinna (15): Ich habe 5 Männer am Tag/Geheimtreffen Diepgen - Momper
ND: Erich Honecker beförderte und ernannte Generale
Heute vor 20 Jahren hielt ich das erste Exemplar vom«Block»in den Händen.
Im Tagebuch vom 22.2.1969 steht zu lesen:
Bernt Richter kam und brachte drei Exemplare. Schenkte Landkarte mit Antofagasta drauf und ein Viertel Jagdwurst«auf die Faust», mit Knoblauch.
Ich arbeitete damals bereits an T/W, war schon bis zu Manfred vorgedrungen (jetzt Seite 31 unten).
Druckkosten-Rechnung für 200 Seminar-Programme: 183 DM. Bisher sind noch keine Klagen laut geworden über den Teilnehmerpreis. Sie haben wohl mitgekriegt, daß ich enorme Unkosten habe. Und daß ich natürlich alles versteuern muß. Wenn jemand meckern würde, dann würde ich ihnen alles haarklein aufzählen, bis sie es satt haben.
Die Reihe der Autoren, die hier waren, ist ansehnlich. Höhepunkt ist stets Rühmkorf. Die Damen ziehen sich immer extra was besonderes an, wenn er kommt: Seidene Schals um den faltigen Hals. Er trägt zu demselben Zweck einen Wollschal.
Dorfroman: Das ganze Haus ist voll Sonne. Die Hühner freuen sich auch über die Sonne. Sie stehen nebeneinander auf der Terrasse. Abends gehen sie in ihr Haus, gucken nach, ob da drinnen alles OK ist, dann sagt der Hahn: Kommt, wir gehen nochmal eben ein bißchen hinaus. Dann drücken sie sich noch’ne halbe Stunde herum, bis der Herr endgültig feststellt: So, nun ist es Zeit.
Jetzt sehen sie nicht mehr so jämmerlich aus - man mußte sich ja schämen.
13.30 Uhr. - Massage.«Frau M. hat man von der Ortskrankenkasse eine Massage abgelehnt», höre ich von nebenan, und ich Müßiggänger liege auf der Bank und lasse meine lockeren Muskeln lockern. So ist es. Im übrigen setzte sie heute wieder ihr wohlgeformtes Knie auf die Massagebank, ich konnte es mit der Hüfte ertasten. Sonst und auch hier absolut unerotisch alles, auch das Massieren. Als ich sagte, ich möchte das Hemd gern anbehalten … Sagte sie: Wieso denn das? Da mach ich mir ja meine Finger kaputt.
Nartum
Do 23. Februar 1989
Bild: COOP - Gewerkschaftschef schnitt sich Pulsadern auf/ AL sagt JA/Momper, was nun?
ND: Handwerk und Gewerbe mit guter Bilanz zu den Wahlen
Robert Walser. Sein Stil färbt ab. Man gerät ihm leicht hinein. Mittags.
Drohungen gegen Rushdie. Was soll so ein Mensch machen? Jeder, der sich jetzt für diesen Aussätzigen erklärt, wird gleichfalls bedroht. Allen wird die Kehle durchgeschnitten. Galgen mit Strohpuppen werden durch die Straßen getragen. - Das Foto von Rushdie zeigt einen indisch-sanftmütigen Menschen mit gesenkten Augenliedern. Ich kann nicht gerade sagen, daß mir dieser Mann besonders sympathisch wäre, aber darum geht’s ja nicht.
Nun warte ich auf eine Unterschriftenliste zu seinen Gunsten. Sie wird nicht kommen. Bei so was macht man einen Bogen um mich. Auch ich bin aussätzig, wenn auch nicht so doll.
Das Nachsehen der Oldenburger Seminararbeiten ist nervensägend. Diese jungen Menschen, die alle Pädagogen werden wollen … nein, es ist unbeschreiblich. Besonders das Geschlechterspezifische hat es ihnen angetan. Eine dieser Trampeltierinnen beanstandet es, daß Jungen und Mädchen unterschiedlich gekleidet sind! Man macht sich keine Vorstellung von der Verblödung dieser Leute. Gott sei Dank muß ich die Folgen dieser Vulgär-Theorien nicht mehr ausbaden.
Die norddeutsche Variante der Emanzen ist besonders unerträglich, weil sie mit Stockdummheit einhergeht.
Nichts Angenehmeres als eine Frau neben sich zu haben, der man das Wasser reichen kann und umgekehrt. Aber man will doch nicht ein
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