Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

All die schoenen Toten - Ein Inspektor-Jury-Roman

Titel: All die schoenen Toten - Ein Inspektor-Jury-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
Vom Netzwerk:
schon so lange nicht mehr bei mir.«
    »Ja, einen ganzen Monat.«
    Sonia war wieder da und stellte ihnen die Teller hin.
    Jury machte sich sofort über sein Eiergericht her.
    »Uhmm, uhmm«, murmelte Melrose, den Mund voll sirupgetränkter Pfannkuchen. Er aß ein paar Bissen. »Ich bin fasziniert von der Aufmachung Ihres Mordopfers.«
    »Ich auch.« Jury nahm sich ein gebuttertes Toastdreieck und überlegte, womit er anfangen sollte. Ihm fiel auf, dass Sonia sie argwöhnisch beobachtete, als wären sie mit Wagenhebern bewaffnet und in böser Absicht hier einmarschiert.
    »Nun, wenn sie sich so ein Kleid und solche Schuhe leisten konnte …«, begann Melrose.
    »Jimmy Choo. Wie können Frauen bloß diese elend hohen Absätze tragen? Die besagten Schuhe haben, laut Sergeant Cummins, bestimmt um die sechs- bis siebenhundert Pfund gekostet.«
    »Für eine Sandale?«
    »Bestehend aus lauter Riemchen.« Jury lächelte.
    »Wie kommt es, dass Sergeant Cummins über derart geheimnisvolle Kenntnisse verfügt?«
    »Geheimnisvoll wohl kaum. Jimmy Choo ist total angesagt. Mrs. Cummins, das ist die Gattin unseres Sergeanten, kennt sich damit aus. Eine Frau mit einer Schwäche für Designerschuhe. Das Kleid kostet – aufgepasst – etwa dreitausend Pfund. Ein Yves Saint Laurent. Und die Handtasche von Alexander McQueen noch mal tausend. Es ist Wahnsinn.«

    »Erstaunlich. Wie kann ein Kleidungsstück bloß so viel wert sein?«
    Jury musterte ihn. »Was haben Sie für das Jackett springen lassen, das Sie da tragen?«
    Melrose sah an sich herunter, als stellte er überrascht fest, dass er nicht in Sack und Asche herumlief. »Für den Fetzen?« Achselzucken.
    »Maßarbeit. Ihr alter Schneider. Jetzt behaupten Sie bloß nicht, es hat weniger gekostet als dieses Kleid.«
    »Machen Sie sich nicht lächerlich! Es geht doch darum: Wird Prostitution so gut bezahlt, dass eine sich solche Sachen kaufen kann?«
    »Wer sagt denn, dass sie so eine ist?« Jury biss in seinen fast kalten, leicht angebrannten Toast.
    »Ach, was. Eine Frau mit einem ›zweiten Leben‹ in London, von der Bibliothekarin in Chesham zu Saint Laurent in London?«
    Jury langte über den Tisch und spießte eins von Melroses Würstchen auf.
    »He! Bestellen Sie sich doch selber welche! Sie sollten einen Blick in den Schrank dieser Frau werfen, auf den Rest ihrer Garderobe. Stinkt sie vor Geld? Und selbst wenn, was sagt es über sie aus, dass sie derart viel Geld für Schuhe ausgibt? Eingebildet, verwöhnt, egozentrisch …«
    Jury musterte ihn und kaute dabei bedächtig.
    »Was? … Was?«
    »Sieh mal einer an, Sie verfallen in ein Klischee.«
    »Von wegen Klischee, ich … erstelle ein Profil.«
    »Dann sind Sie aber ein jämmerlicher Profiler. Typisch männlich ist das nämlich: diese Art von Extravaganz entweder mit Prostitution zu verbinden oder mit einer verwöhnten, oberflächlichen, eingebildeten Frau. Dabei gibt es bestimmt noch ganz andere plausible Erklärungen. Wir schreiben der Extravaganz dieser Dame ohnehin zu viel Bedeutung zu. Schließlich
geben Frauen das Geld manchmal aus, als würden sie es selber drucken. Täten sie’s nicht, wäre dies der Niedergang der gesamten Modebranche.«
    »Dann halten Sie diese Jimmy-Choo-Schuhe also nicht für wichtig?«
    »O doch, natürlich. Die Schuhe und das Kleid sind sehr wichtig. Ich würde mir allerdings nichts dabei denken, wenn ich sie in der Royal Albert Hall sähe. Auf der Terrasse des Black Cat dagegen schon.«
    »Und alles deutet darauf hin, dass die Frau an der Stelle umgebracht wurde, wo man sie fand? Und nicht nachträglich dorthingeschafft wurde?«
    »Alles: angefangen von der Verfärbung der Haut bis zum verspritzten Arterienblut, dem Einsetzen der Totenstarre und der Untersuchung des Erdbodens unter der Leiche – alles spricht dafür.«
    »Ach, das ist doch bloß Ihre Vermutung.«
     
    In Bletchley Park standen sie vor der Maschine, nicht größer als eine Schreibmaschine, der genialen Maschine, die den Enigma-Code der deutschen Kriegsmarine geknackt hatte.
    »Stellen Sie sich vor«, sagte Jury. »Milliarden von Möglichkeiten …«
    »Lieber nicht, ich habe schon genug Schwierigkeiten, mir das Abendessen vorzustellen. Das Ding konnte also Nachrichten verschlüsseln?«
    Jury nickte. »Klartext zu Chiffretext vermischen.« Er beugte sich näher hin. »Diese Maschine wurde kommerziell genutzt, verstehen Sie, also für andere Zwecke. Nur dass die Deutschen dann ihr Potential zum Verschlüsseln von

Weitere Kostenlose Bücher