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All die schoenen Toten - Ein Inspektor-Jury-Roman

Titel: All die schoenen Toten - Ein Inspektor-Jury-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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hochfuhr) einen Klaps aufs Knie. »Ach, jetzt kapier ich’s! Ihr zwei seid ja zum Schreien!«
    Melrose und Polly verstanden nur Bahnhof und schauten einander sprachlos an.
    Dann beugte Alice sich zu Colonel Neame hinüber und prustete, dass es sich anhörte, als kämen ihr Blubberbläschen aus der Nase. »Na, Süßer, wie wär’s mit’ nem flotten Vierer?« Und dann: »Das kostet aber!« Ihr Lachen klang silberhell. Hier war ganz offensichtlich Geld zu holen.
    Ohne weitere Zwischenfälle (und ohne dass es sich zu einem flotten Vierer auswuchs) gelangten die drei ins Speisezimmer. Das Abendessen hatte etwas Improvisiertes, bunt Zusammengewürfeltes, insofern das im Boring’s überhaupt möglich war.
    Der junge Higgins, Boring’s dienstältester Kellner, sorgte allerdings dafür, dass unerbittlich am Protokoll festgehalten wurde. Miss Dalyrimple hätte ihn mit ihren Flattertüchern umwehen können, ohne dass er, standhaft wie die Palastgarde, eine Miene verzogen hätte.
    »Wir hätten heute Abend escargots , Mylord.« Auf Alices Näschenrümpfen hin fügte er hinzu: »Schnecken.«
    Erleichtert konstatierte Melrose, dass der junge Higgins ein ebenso felsenfester Verfechter des Klassensystems war wie er selbst. Er lächelte. »Die nehme ich.« Sich an seine guten Manieren erinnernd, fügte er hinzu:« »O Verzeihung, Polly. Was darf es für Sie denn sein?«
    »Suppe«, erwiderte sie kurz angebunden.
    »Also, ich glaub, ich nehm vorerst mal nix«, sagte Alice. »Wegen
der Linie.« Sie zwinkerte verschmitzt. »Noch einen davon, Schätzchen!« Sie hielt Higgins ihr Ginglas hin, das dieser verächtlich schnupfend entgegennahm.
    »Madam.«
    Das Roastbeef bestellten sie alle.
    Genug jetzt, dachte Melrose, kommen wir zur Sache. »Unsere liebe Polly ist Kriminalschriftstellerin«, sagte er, über den Tisch in Richtung Alice gebeugt.
    Alice war schwer beeindruckt. »Das Buch, von dem der Colonel geredet hat, das ham Sie geschrieben? Is ja’n Ding!«
    Melrose beugte sich noch tiefer über Alices verstörenden Ausschnitt. »Polly versteht sich auf Morde.«
    »Au weia. Schreiben Sie dann was über uns?«
    Der junge Higgins schob Polly und Melrose Suppe und escargots hin, dazu Alice einen frischen Gin, dann ging er lautlos von dannen. Dies verschaffte Polly ein paar Sekunden, um das »uns« zu verkraften.
    Alice sagte: »Ich mein, über uns Escort-Girls.«
    »Könnte schon sein«, erwiderte sie sotto voce. »Ich trage mich mit dem Gedanken. Deshalb bin ich auch in London: Recherche. Was für ein Glück, Ihnen zu begegnen.«
    Indem sie von dem Tellerchen mit Rohkost, einer Aufmerksamkeit des Hauses, ein Radieschen aufspießte, das wie gelackt aussah, sagte Alice, ebenfalls sotto voce: »Also, wenn Sie mich fragen, dieser Irre, das ist bloß ein sexsüchtiger Triebtäter.«
    Interessante Schlussfolgerung, dachte Melrose. »Wie kommen Sie denn darauf? Es scheint wohl eher so, dass er was gegen Sexsucht hat. Obwohl… ob es überhaupt um Sex geht, ist doch gar nicht gesagt.«
    »Wohl wahr«, wandte Alice sich vertraulich zu Polly hinüber. »Das mit dem Escort-Service sehen die Leute nämlich völlig falsch. Die meinen, da geht’s bloß um Sex.«
    Tut es ja auch, dachte Melrose. Ein Weilchen aßen sie schweigend.

    »Aber geht es denn nicht um Sex?«, fragte eine inzwischen etwas wagemutigere Polly, als der junge Higgins mit dem Hauptgang auftauchte.
    »Ab-so-lut nicht«, gab Alice in ziemlich scharfem Ton zurück. »Nehmen Sie bloß mal uns drei hier. Wir essen ganz zwanglos miteinander, hä? Was später läuft, is dann Ihr Bier. Ah, so ein schönes Roastbeef! Ham Sie vielleicht auch Ketchup, mein Lieber?«
    Der junge Higgins war es weder gewöhnt, als »mein Lieber« tituliert zu werden, noch bedeutete der eisige Blick, den er Miss Dalyrimple zuwarf, dass er geneigt war, sich daran zu gewöhnen. Vielleicht war aber auch der Wunsch nach Ketchup der Grund für diese versteinerte Miene. Er servierte die beiden anderen Teller und wandte sich sodann dem kühl gestellten Wein zu.
    Melrose und Polly schenkten dem Pinot Noir, der ihnen kredenzt wurde, keine Beachtung, denn sie mussten erst noch über die Bemerkung mit dem »was später läuft« hinwegkommen. Um nicht laut loszulachen, schnappte Melrose sich sein Glas und nahm einen hastigen Schluck. Der Wein stieg ihm in die Nase. Er hustete.
    Polly hatte sich gleich wieder erholt. »Wieso ist Ihrer Ansicht nach dieser Mörder ein sexsüchtiger Triebtäter?«
    »Wahrscheinlich kann er

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