Fußballschule am Meer Bd. 1 - Fiese Fouls
Als Finn an jenem Tag im Mai von der Schule nach Hause ging, ahnte er noch nicht, dass sein Leben sich schon sehr bald komplett ändern würde. Wie auch – in seinen Gedanken war er nur bei den beiden Arbeiten, die er an diesem Morgen wiederbekommen hatte. Beide hatte er fürchterlich in den Sand gesetzt: eine Fünf plus in Biologie, eine glatte Fünf in Deutsch. Finn war klar, dass er dafür Ärger bekommen würde. Irgendwelche Ahnungen, Vermutungen oder gar Hoffnungen auf ein sonnigeres Leben wären also vollkommen fehl am Platze gewesen.
Zunächst hatte Finn allerdings noch nichts zu befürchten. Den Stress wegen schlechter Noten oder anderer Probleme in der Schule machte immer nur sein Vater. Der kam aber erst am Abend von der Arbeit. Jetzt wartete zu Hause nur die Mutter mit dem Mittagessen, und die würde Finn wegen der versemmelten Arbeiten eher trösten, als mit ihm zu schimpfen. Wenn sie überhaupt Zeit für ihn hatte. Meistens war sie nämlich mit den Zwillingen beschäftigt.
Mats und Marie waren die Nachzügler in der Familie. Finn hatte sich darauf gefreut, großer Bruder zu sein, als die beiden vor etwas mehr als vier Jahren aufdie Welt gekommen waren. Doch das hatte sich schnell geändert. Von einem Tag auf den anderen hatte sich alles nur noch um die Kleinen gedreht, und Finn musste dafür auch noch Verständnis haben. Schließlich war er ja der Große. Die Eltern nannten die Kleinen liebevoll «unsere Nesthäkchen», manchmal auch «unser ganzes Glück». Finn hatte bald andere Worte für die Zwillinge gefunden. «Nervende, stinkende Kriechtiere» gehörte dabei noch zu den netteren Bezeichnungen.
Natürlich liebte er seine Geschwister. Trotzdem dachte er seit einiger Zeit immer öfter darüber nach, wie viel schöner sein Leben wohl wäre, wenn es die beiden nicht gäbe!
Am liebsten würde ich abhauen, dachte Finn oft. Doch seine Füße fanden stets wie von selbst den Weg nach Hause, und jedes Mal war der Heimweg von der Schule viel zu kurz. Auch an diesem Tag.
Durch das geöffnete Küchenfenster konnte Finn das Fett in der Pfanne spritzen hören, und seine Nase verriet ihm, dass es gebratenen Fisch gab. Schon wieder! Finn blieb seufzend vor dem Hauseingang stehen und betrachtete sein Spiegelbild in der großen Scheibe der Haustür.
nier hci hcam neD
!roT nies mhi ni,
stand es weiß auf schwarz auf seinem T-Shirt .
Den mach ich rein
in ihm sein Tor!
Finn liebte diese Fußballersprüche. Je dümmer oder frecher sie waren, desto besser fand er sie. Drei solcher T-Shirts hatte er zu seinem Geburtstag bekommen. Natürlich nicht von seinen Eltern. Das, was er trug, hatten ihm seine Mitspieler geschenkt. Finn kickte als Außenverteidiger in der D-Jugend bei der Spielvereinigung. Von Stevie, seinem besten Freund, hatte er ein bordeauxrotes T-Shirt mit der schwarzen Aufschrift «Der Jürgen und ich, wir sind ein gutes Trio» bekommen. Am besten gefiel Finn aber das dunkelblaue T-Shirt mit dem Spruch: «Wenn das ein Tor war, bin ich ein Mädchen!» Das hatte ihm Tante Kathrin per Post geschickt, zusammen mit einem Videospiel und einer Riesentafel Schokolade. Tante Kathrin war die Schwester von Finns Papa, aber ganz anders drauf als der. Viel lockerer. Manchmal wünschte Finn sich, dass sie seine Mutter wäre und er bei ihr wohnen könnte. Weit weg von seinen richtigen Eltern – und vor allem von den Zwillingen! Aber er traute sich nicht, Tante Kathrin zu fragen.
Die Idee, von zu Hause wegzulaufen, kam Finn an diesem Nachmittag noch einige Male. Beim Mittagessen, als er die Fischstäbchen und den Kartoffelbrei hinunterwürgte, das Lieblingsfutter der Zwillinge. (Finn mochte Fischstäbchen auch ganz gern, aber doch nicht jeden Tag!) Bei den Hausaufgaben, als die Mutter lieber mit den Zwillingen ein Mittagsschläfchen machte, als ihm bei den Matheaufgaben zu helfen. Und auchspäter, als er nicht mit seinen Freunden draußen spielen durfte, sondern auf die Kleinen aufpassen musste, während die Mutter einkaufen ging. Finn tat, was von ihm erwartet wurde, aber in seinen Gedanken und Träumen war er weit weg von zu Hause.
So verging der Nachmittag wie im Flug. Der Abend kam viel zu schnell, und mit ihm Finns Vater.
«Trägst du schon wieder dieses schreckliche Hemd?», fragte er anstelle einer Begrüßung. Es schien ihm Spaß zu machen, sich mit Finn zu streiten. Warum sonst versuchte er immer wieder, seinen Sohn zu provozieren?! Leider fiel Finn auch noch meistens darauf herein. Dann rutschten ihm
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