Alle Familien sind verkorkst
Zentrums«
»Entschuldigung. Du bist das Zentrum.«
»Na toll. Jetzt sieh dir an, was mir das gebracht hat.«
»Dein Leben ist nicht bedeutungslos, Mom.«
»Darüber könnte man streiten.« Wades Gesicht entspannte sich etwas. Janet konnte sich nur mit Mühe vorstellen, wie sehr sein Arm schmerzen musste. »Geht's? Wie kann ich es dir erträglicher machen?«
»Warum knien wir uns nicht einfach in den Schlamm. Ich glaube, so können wir besser das Gleichgewicht halten.«
»Au! Mein Handgelenk ...« Ein scharfer Schmerz durchzuckte sie. Wade untersuchte ihr Handgelenk und stellte nun ebenfalls fest, wie schlimm sie sich bei dem Sturz verletzt hatte - ganze Hautstreifen waren weggefetzt.
»Mom, es tut mir so Leid.«
»Wade, bis zum Sonnenaufgang sind es noch sechs Stunden, und selbst dann ... Was sollen wir tun?«
»Lass uns einfach hier sitzen bleiben und Ruhe bewahren. Lass uns einfach atmen.«
So saßen sie schweigend da, der Mond schien herab; Insekten flatterten umher, und Janet glaubte schlafende Silberreiher im dichten Sumpfgras zu sehen. Sie versuchte, keinen Schmerz zu spüren, aber das war nicht einfach. Hoch oben hörte sie ein Düsenflugzeug, das bald wieder fort war, und sie wurden erneut in die erfüllte, vielgestaltige Stille zurückgeworfen. Janet fühlte sich wie eine Bakterie. Sie fühlte sich wie ein Reptil. Sie fühlte sich wie Fleisch. Sie fühlte sich nicht menschlich.
Ein Handy klingelte.
Hä?
Es steckte in Janets rechter Tasche. »Wade. Ach du liebe Güte - ich war sicher ...« Sie steckte die Hände in feuchte, verschlammte Stofffalten »... dass es im Wasser den Geist aufgegeben hat.«
Wade sah ihr gespannt zu. »Die sind heutzutage wasserfest.«
Hektisch und ungeschickt klappte Janet das Gerät auf. »Hallo? Hilfe!«
»Mom?« Sarah war dran.
»Sarah, ruf einen Krankenwagen. Wade und ich sind verletzt. Wir stecken in einem Sumpf.« »Einem Sumpf? Wo?«
»Ich weiß nicht - ein Stück ins Land hinein, südlich von Daytona Beach.«
»Was habt ihr euch getan?«
»Wades Arm ist gebrochen wie Reisig. Und wir sind mit Handschellen aneinander gefesselt - meine Haut hängt in Fetzen herunter.«
Das Batteriesignal des Telefons begann schrill zu piepen. »Mom«, sagte Sarah. »Hör mir zu: Leg auf. Sofort.«
Iiip iiip iiip.
»Die Batterie -«
»Leg auf. Dann warte eine Minute. Ich ruf dich noch mal an.«
... klick.
Janets Leitung war tot. »Was sollen wir ihr sagen, Wade? Wo sind wir?« Zum wiederholten Mal in jener Woche kam es Janet so vor, als sei sie in die Vergangenheit zurückversetzt worden, jedenfalls hatte sie in keiner Weise das Gefühl, in den Vereinigten Staaten zu sein.
»Mom, ich hoffe, die Batterie reicht noch ein paar Sekunden. O Mann - einer Batterie ausgeliefert zu sein!«
»Ich habe Angst, Wade.«
»Das brauchst du nicht, Mom. Wir kriegen das schon hin. Bestimmt. Bitte hab keine Angst.«
Sie saßen schweigend da. Palmetto-Käfer summten, Ziegenmelker trillerten und Grillen zirpten. Das Telefon klingelte. »Hallo, Sarah?«
Eine kühle, distanzierte und sachliche männliche Stimme war am anderen Ende: »Hier ist die Triangulierungsabteilung der NASA. Können Sie mich verstehen?«
Janet sagte: »Ja!«, aber die Frage war an einen anderen Techniker gerichtet. »Ich verstehe Sie, NASA. Signalquelle festgestellt. Sie befinden sich -«
Up Up Up.
Das Telefon war tot.
»Wade, was haben die gemeint? Triangulierung? Sie haben uns nicht gefunden.«
»Das weißt du nicht, Mom.« »Was, wenn nicht?«
»Das kannst du doch gar nicht wissen. Wart's ab. Schlimmstenfalls müssen wir bis zum Morgen warten.«
»Wade, dein Arm ist gebrochen wie ein kaputter Besenstiel. Der Morgen kommt, und was dann?«
»Dann wird es hell.«
»Sei nicht albern.«
»Du bist diejenige, die albern ist, Mom.« »Nein, du bist derjenige, der albern ist.« »Du bist albern.« »Nein, du bist albern.«
»Albern.«
»Wie geht's deinem Arm, Wade?«
»Er fühlt sich total albern an.«
»Wir sitzen das hier bis zum Morgen aus.«
»Das werden wir.«
Sie hockten eine Weile da und hörten weitere leise Geräusche - Lebewesen, die ins Wasser sprangen oder wieder heraus; dann und wann ein Summen; ein Trompeten irgendwo in der Dunkelheit.
»Also hast du Florian den Brief schließlich doch gegeben.«
»Ich habe nichts dergleichen getan.« »Aber er hat gesagt ...«
»Das war falsch. Ich hatte den echten Brief im Restaurant bei mir, aber ich habe ihm gesagt, es sei eine Fälschung. Der richtige
Weitere Kostenlose Bücher