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Alle Familien sind verkorkst

Alle Familien sind verkorkst

Titel: Alle Familien sind verkorkst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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bekommt.«
    Janet fragte Wade: »Welche übernatürliche Fähigkeit wäre das?«
    »Zuerst du. Sag mir deine.«
    »Okay, das werde ich. Kannst du es dir denken?« »Nein.«
    Janet sagte: »Erinnerst du dich, wie wir 1970 die beiden neuen Zimmer und das neue Badezimmer ans Haus angebaut haben? Es gab eine Phase während der Bauarbeiten eine Woche vielleicht -, als die Einfassungen für die Wände schon drin waren, die Wände aber noch nicht. Ich bin dort nachts immer ganz allein durch die Wände hindurch von Zimmer zu Zimmer gegangen wie ein Geist. Ich hab mich dadurch so übermenschlich gefühlt - so stark -, und ich weiß nicht, wieso mich das so berührt hat. Ich würde also gern durch Wände gehen können. Das wäre meine übernatürliche Fähigkeit.«
    »Gute Wahl.«
    »Und du?«
    »Hm. Witzig. Ich hab schon mal mit Beth darüber geredet. Damals hab ich ihr gesagt, ich würde gern aus meinen Augen Laserstrahlen abfeuern können - nein, aus meinen Fingerspitzen -, und wenn die Strahlen jemanden träfen, würde dieser Mensch Gott sehen können. Ich wäre Holy Man - das wäre mein Name. Aber ich weiß nicht recht. Eine solche Fähigkeit würde einem schwachen menschlichen Wesen fast zu viel Macht verleihen. Allerdings könnte ich dann vielleicht versuchen, selber Gott zu sehen, und wenn mir das gelänge, würde ich vielleicht ununterbrochen in alle Richtungen Laserstrahlen abfeuern. Ich wäre ein Rund-um-die-Uhr-Nonstop-Gott-Transformator.«
    »Wenn du also geheilt würdest, würdest du das wirklich versuchen?«
    »Das würde ich.«
    »Ehrenwort?«
    Wade sagte: »Ich gebe nicht allzu oft mein Ehrenwort. Bisher nur einmal. Und zwar Beth. Aber dafür würde ich es tun.«
    »Gib mir deinen Arm.« »Hä?«
    »Deinen gebrochenen Arm.« »Warum?«
    »Tu's, Wade.« Janet nahm ihr gefesseltes Handgelenk und legte es auf Wades offene Wunde.
    »Mom! Das solltest du lieber nicht tun.«
    »Sei still, Wade.« Sie presste ihr Handgelenk auf seinen Arm:
    »Einundzwanzig, zweiundzwanzig, dreiundzwanzig« »Mom?«
    »Wade, sei still - vierundzwanzig, fünfundzwanzig, sechsundzwanzig«
    »Mom, was tust du da?«
    Janet zählte weiter: »Zweiunddreißig, dreiunddreißig, vierunddreißig« »Hat Florian -«
    »Fünfundvierzig, sechsundvierzig, siebenundvierzig ...« »Ach du Schande -«
    »Siebenundfünfzig, achtundfünzig, neunundfünzig ...« »Er hat.«
    »Zweiundsechzig, dreiundsechzig, vierundsechzig ...« »Mom -«
    »Sechsundsiebzig, siebenundsiebzig, achtundsiebzig ...« »Ich ...«
    »Achtzig, einundachtzig, zweiundachtzig. So.« Janet zog ihr Handgelenk zurück und trennte so die Vereinigung ihrer beider Blut, das inzwischen ein wenig geronnen war. Sie hatte das Gefühl, als nehme sie ihre Hand von einem noch etwas feuchten Klecks trocknender Farbe.
    »Er hat dich geheilt, nicht wahr?«, sagte Wade.
    »Ja, das hat er, Schatz. Das hat er.«
    »Und jetzt bin ich -«
    »Ja, Schätzchen, du bist neu geboren.«
    »Ich ... ich werde mein Kind aufwachsen sehen können.«
    »Ich auch.«
    Von Süden her näherte sich das Donnern von Helikoptern und mit ihnen ein Lichtstrahl, der vom Himmel herableuchtete, auf den Sumpf und auf Mutter und Sohn.

29
    Eine Stunde, bevor sie an Bord ging, zeigte man Sarah einen Monitor, auf dem sie ihre Familie auf der VIP-Tribüne sehen konnte - was für ein jämmerlicher Haufen: Bryan und diese grässliche Shw, beide voller blauer Flecken und jeder mit einem Veilchen, Bryan dazu noch mit Zinksalbe eingeschmiert und Shw auf Krücken. Dad war dort, eine Hand auf Nickies Po, und an Nickies Seite stand ein Mann, dessen einer Unterarm dick verbunden war - wer ist das denn? Howie war nirgends zu sehen. Was soll's. Mom und Wade wirkten mit ihren Verbänden, Schlingen, Pflastern und Krücken wie ein Lehrbeispiel für Krankenschwestern. Beth sah immer noch so aus, als wäre sie einer Folge von Unsere kleine Farm entsprungen. Und schließlich war da noch so ein öliger Eurotyp - wieso sind Europäer eigentlich immer so leicht zu erkennen? -, der seinen Arm um Janet gelegt hatte. Der Europäer flüsterte ihr gerade etwas offenbar sehr Witziges ins Ohr. Ihre Familie stand neben der Familie Brunswick, knallbunt wie ein Fuji-Film, in aufeinander abgestimmten Polohemden und klotzigen Halsketten aus Ferngläsern, Videokameras und Fotoapparaten.
    Die Drummonds sahen neben den Brunswicks so ... kaputt aus, und doch waren diese Leute - nun ja, sie waren ihre Familie. Und trotz all ihrer genetischen Studien war es ihr nie

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