Engel_der_Elemente-1
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Edna lag in ihrem Bett und schlug die Augen auf. Sie sah auf ihren Wecker, die leuchtenden Ziffern zeigten zwei Uhr achtundfünfzig an. Das war das vierte Mal in dieser Woche. Nach nur drei Stunden Schlaf war sie ganz und gar ausgeruht. Sollte ihre Umwandlung etwa begonnen haben?
Bin ich die Erste? , fragte sie sich. War die Zeit gekommen?
Die Mädchen würden zu vollendeten Engeln werden, um gegen das Böse zu kämpfen. Die christlichen Vertreter auf Erden würden sie ohne Frage nicht als Engel bezeichnen. In deren Augen waren die Mädchen nichts anderes als Nephilim.
Edna dachte an ihren Vater, den Feuergott, den sie niemals gesehen hatte. Wie auch ihre Mutter, die an der Seite des Gottes lebte. Das gleiche galt auch für die Eltern der drei anderen Mädchen. Keine hatte sie in Erinnerung, da die jungen Engel seit ihrem ersten Geburtstag auf Erden lebten. So waren die Mädchen ohne Eltern aufgewachsen. Sie hatten Matalina, ihre herzensgute Amme. Jetzt schien es, als würde Edna die Erste sein, die sich verwandelte.
Sie war nicht aufgeregt, nur gespannt. Wie sehr würde sie sich verändern? Sie war groß für eine Frau, maß einen Meter achtzig. Sehr schlank, eher dürr sogar, weil es an ihr keinerlei Kurven gab. Das Haar leuchtete flammend rot und fiel in weichen Wellen über ihre Schultern. Ihre Haut erschien fast weiß und die Augen leuchteten in einem wunderschönen Grün.
Edna fühlte sich nicht anders … seufzend stand sie auf. Was sollte sie bloß tun? Die anderen drei Nächte hatte sie sich die Zeit mit Lesen vertrieben. Heute hatte sie jedoch keine Lust zu lesen. Es war drei Uhr morgens und Stille hüllte das Haus ein. Alle anderen schliefen.
Bisher hatte Edna noch keinem gesagt, das der Schlaf bei ihr weniger wurde. So hatte sie erneut eine Nacht allein vor sich. Sie nahm sich vor, die anderen beim Frühstück einzuweihen. Bald schon konnte sie überhaupt nicht mehr schlafen, denn als Engel würde sie keinen Schlaf mehr brauchen.
Sie setzte sich an ihren Schreibtisch und sah durch das große Fenster in die Nacht hinaus. Der Mond stand hoch und war fast voll. Keine Wolke störten den Blick auf die Sterne, die sich am Nachthimmel ausstreckten. Wie oft Edna den Himmel auch betrachtete, es gab niemals ein Zeichen ihrer Eltern, die auf der göttlichen Ebene weilten. Eine Verbindung aufzunehmen, schien unmöglich. Jetzt wünschte sie sich noch mehr als sonst, ihre Eltern wären bei ihr. Eine so wichtige Phase ihres Lebens schien zu beginnen – doch sie war wie immer allein, wenn man von den Mitbewohnern des Hauses einmal absah.
Wie oft hatten sich die Mädchen ausgemalt, wie es sein würde, wenn sie vollends zu Engelsgeschöpfen wurden. Sie würden Flügel bekommen und eine besondere Gabe. Jede von ihnen bekam eine andere - gegeben von ihren Vätern. Edna trug das Feuer in sich - als Tochter des Feuergottes Darragh.
Isa, die Tochter von Arthemis, dem Wassergott, würde das Wasser und das Eis beherbergen. Raven, die Tochter des Erdgottes Kidor, würde folglich dessen Element beherrschen. Dann noch Layla, die Tochter des Luftgottes Oisin - sie würde die Luft und das Wetter kontrollieren – in gewissem Maße.
Edna konnte sich noch nicht vorstellen, was genau sie als Engel damit bewirken würden. Sie wusste nur, dass sie zum Kämpfen geschaffen waren. Jetzt saß sie da und starrte in die Dunkelheit, hoffend das die Zeit schnell verging und der Tag anbrach. Obwohl sie sich selbst als ruhig bezeichnete, in ihrem Inneren rumorte es. Doch wollte sie sich die Spannung, die ihr innewohnte, nicht eingestehen.
Na endlich! , dachte Edna.
Die Standuhr im Haus schlug acht Mal. Sie war schon lange geduscht und angezogen, jetzt ging sie aus ihrem Zimmer und den langen Flur entlang. Auf dieser Etage waren die Schlafzimmer und Bäder der Mädchen. Jede hatte ein eigenes Bad, das sich jeweils auf der linken Seite der Zimmer befand. Ihre Schritte auf dem Teppichboden im Flur waren nicht zu hören, der dicke Bodenbelag schluckte jegliches Geräusch. Nicht so auf der großen Freitreppe am Ende, gearbeitet aus dunklem und glänzend poliertem Holz. Ihre Hand folgte dem Geländer mit den geschnitzten Sprossen, dabei ließ sie ihren Blick auf die Eingangshalle gerichtet. Der Boden, mit hellem Marmor belegt, war gänzlich leer.
Edna ging schwungvoll hinunter und hörte, dass Maria in der Küche werkelte. Die war die Hausdame und von Anfang an bei ihnen gewesen. Edna roch den aufgebrühten Kaffee und
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