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Alle Menschen werden Schwestern

Alle Menschen werden Schwestern

Titel: Alle Menschen werden Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise F Pusch
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Päpstin/katholische Priesterin.

    Die Beispiele zeigen, daß bei einem Vergleich die Kombination zwar seltsam bis phantastisch sein mag, daß aber das, was kombiniert wird, real sein muß. Metaphorisches Reden ist zwar »nur bildhaft«, setzt aber Realität voraus. Einen »richtigen« Literaturpapst gibt es nicht, wohl aber einen »richtigen« Papst. Und da es keine Päpstin gibt, ist eine Literaturpäpstin auch nur schwer vorstellbar. Das heißt, sie wird uns nicht in den Schoß fallen — das verhindert sozusagen der Stoff, aus dem Metaphern (normalerweise) sind.
    Die folgenden Hermaphroditen machen das sehr deutlich. Es geht um Vergleiche und Metaphern aus Bereichen, die nahezu ausschließlich von Männern geprägt wurden bzw. sind: Tötungs- und Kriegshandwerk inklusive Kameradschaft, (Feudal)-Herrschaft inklusive Gefolgschaft und Rebellion, politische oder religiöse Agitation usw.

    (38) Und Tante Flo rutschte rüber auf den Sitz neben die Gebietsführerin, legte ihren kleinen Arm um sie und trocknete ihre Tränen [...]. Das Opfer tröstet den Henker. (Parnass 1983: 82)
    (39) [… ] und doch empfanden sie sich, was die Arbeit betraf, als Kameraden und jede fühlte sich in der Gesellschaft der anderen wohl. [Über Virginia Woolf und Katherine Mansfield] (Bell 1982: 285)
    (40) Wie gesagt, meine nächstjüngere Schwester zog ich mir als Knappen heran [...] ich glaube, ich war kein Tyrann dabei oder Diktator. Ich brauchte einfach einen Zuhörer. Ich bin immer ein Proselytenmacher gewesen — einer, der Anhänger sucht, der seinen Glauben verbreitet. Ich möchte gerne andere überzeugen, ich erkläre gerne Sachen und gebe sie weiter, vielleicht wäre ich interessierten Kindern eine gute Lehrerin gewesen. Da war meine Schwester meine beste Zuhörerin, und eine dankbare und stille. Das heißt, ich brauchte keinen Gesprächspartner, ich brauchte einen Zuhörer, (de Haen 1983: 114)

    Daß in (40) eine Frau über sich spricht und kein Mann, merkt frau erst, wenn sie bei dem Wort Lehrerin angekommen ist... Knappe , Tyrann, Diktator — das sind alles Bezeichnungen für Männer. Knappe bezeichnet nicht nur einen rein männlichen Beruf aus feudaler Zeit, es ist überdies eng verwandt mit Knabe ; das Wort Knäppin wäre also etwa so sinnvoll wie Knäbin. Sie zog sich also ihre Schwester als »Knappen« heran. Wenn sie über einen Bruder gesagt hätte: »Ich zog ihn mir als Knappen heran«, so wäre das auch metaphorisches Reden gewesen, aber die Metapher wäre in der historischen Realität verankert gewesen. Die Wörter Tyrannin und Diktatorin lassen sich zwar ohne weiteres bilden, aber sie sind so realitätsfern wie Bundeskanzlerin, Häuptlingin oder Päpstin, und es sollen mit diesen Bildern ja gerade »lebhafte, anschauliche Vorstellungen« hervorgerufen werden.

    (41) Ich wurde geliebt und geachtet von meinen Schwestern, aber die Kleinen mußten mir auch helfen, mich gegen die zweite durchzusetzen, die war nämlich die Schwierige, der Rebell, (de Haen 1983: 102)
    (42) Ich verbinde mit meinen Filmen nicht unbedingt eine Botschaft, ich möchte auch niemanden überzeugen, ich sehe mich nicht als Prophet oder Agitator, ich sehe mich eher als Chronistin. (Margarethe von Trotta in Mundzeck 1984: 89)
    (43) Sie ist dann eben auch die Vermittelnde, Verbindliche, die treue Gefolgsfrau, wie Vera ihre dritte Schwester beschrieben hat. [...] Das bietet für die dritte auch die Chance, nicht nur treuer Gefolgsmann zu werden, wie Isa, sondern auch selber wieder zu führen. (de Haen 1983: 145 f.)

    Das letzte Beispiel ist besonders aufschlußreich. Die Autorin bemüht sich um eine »frauengerechte« 41 Sprache. Sie verwendet hier zunächst das Wort Gefolgsfrau, obwohl nur der Gefolgsmann üblich ist. Falls zum Gefolge, zur Gefolgschaft, eines feudalen Herrschers überhaupt Frauen gehört haben, waren sie offenbar nicht der Rede wert, denn überliefert ist neben dem Wort Gefolgsleute nur das Wort Gefolgsmann. Gefolgsfrau mußte also kreiert werden. Eine Seite später schon wird jedoch dieselbe Frau Gefolgsmann genannt, weicht der kreative feministische Elan der Routine, dem Gehorsam gegenüber den Normen der Metaphorik und dem »herrschenden Sprachgebrauch«.
    Aber es gibt auch noch andere Sprachgesetze. Es gibt, vor allem, die Kongruenzregel, die mit der soeben formulierten Metaphernregel im Streit liegt, weil sie sich nicht darum schert, ob es im wirklichen Leben Bundeskanzlerinnen, Dirigentinnen oder Päpstinnen gibt. Eine Frau kann

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