Alle Menschen werden Schwestern
leider, verklärt die Häßlichkeit der Meienbergschen Gesinnung, dieser üblen Mischung aus Sexismus, Rassismus, ageism (Diskriminierung aufgrund des Alters) und looksism 128 (Diskriminierung aufgrund des Aussehens). Frauen dürfen bekanntlich nicht altem , denn dann sind sie als Sexobjekte ja untauglich, und einen andern Daseinszweck haben wir ja nicht. Dick dürfen Frauen auch nicht sein — in der »Kultur« der westlichen Industrienationen hat frau sich raumsparend zu stylen. In arabischen Ländern »dürfen« sie es — Meienberg notiert es mit offensichtlichem Befremden. Nur junge, schöne, schlanke Frauen [die bei Meienberg stets Mädchen heißen] verdienen den männlichen Minnedienst, nach dem jede Frau sich sehnt. Meienberg als Kenner des weiblichen »Unterbewußtseins«:
Die jungen Mädchen [...] sind fasziniert, angezogen und abgestoßen von den Möglichkeiten einer Umkleidekabine: Entblößen, Spritze, Ohnmacht. Ohne eigene Schuld — weil ihnen ja Gewalt angetan wird — könnten sie die obszönsten Dinge erleben. Genuß ohne Reue und ohne Gewissensbisse. Träumerische Fahrten aus provinzieller Enge in den geheimnisvollen Orient. In ihrem Unterbewußtsein führen die Gänge der Einbildungskraft unmittelbar von den harmlos-suggestiven Kleiderläden zur Erfüllung unausgesprochener Wünsche. (Frkr. 72)
Meienberg weiter zum Thema Vergewaltigung:
[...] vielen ehrbaren Mädchen graust es hier auch ohne Huren. Suzanne sagt: Es ist so dunkel im Quartier, und Ellen meint: Es riecht, als ob man stirbt, und Judith sagt: Hier wird vergewaltigt! Doch die sanften Araber und die jüdischen Metzger mit ihrem koscheren Fleisch denken gar nicht daran. (Frkr. 17)
Wenn ich eine Stelle im Meienbergschen Gesamtwerk auszuwählen hätte, die ich am widerlichsten finde, so wäre es diese. Grobschlächtiger Sexismus, wie M. ihn gegen »Huren« und »Vetteln« absondert, ist zwar ärgerlich, aber wenigstens leicht erkennbar, wie ein übelriechendes Gift, das wir schon wegen des Gestanks nicht schlucken würden. Der Sexismus dieser Passage dagegen ist sozusagen geruchlos, wenn nicht gar wohlriechend. Uns wird erst übel, nachdem wir das Gift geschluckt haben. Versichert uns Meienberg nicht in freundlich-beruhigendem Ton, daß den »Mädchen« in dem dunklen Quartier keinerlei Gefahr droht? Wunderbar! Wieso ist mir aber trotzdem so mulmig zumute? Liegt es vielleicht an der scheinbar völlig unmotivierten Erwähnung des koscheren Fleischs? Irgendwas muß er doch damit meinen!
Und ob er damit etwas meint! Der Schlüssel zu dem, was M. eigentlich meint, liegt in der zynischen Formulierung [sie] denken gar nicht daran. Mit Ich denke gar nicht daran! weist man nämlich eine unzumutbare Aufforderung zurück. Die Angst der »Mädchen« (waren es wirklich »Mädchen«, oder waren es Frauen?) verdreht er mit diesem Trick zu einem Wunsch nach Vergewaltigung. Diesem Herzenswunsch werden aber die Männer des Quartiers nicht nachkommen, keine Sorge — er ist nämlich unzumutbar. Weil nämlich das Fleisch der Mädchen nicht koscher ist. Woraus wir zu guter Letzt noch schließen dürfen, daß Meienberg die »Mädchen« mit Schlachtvieh gleichsetzt. Guten Appetit, die Herren!
Nichts von alldem hat er wörtlich gesagt, natürlich. Explizite Kruditäten sind ja auch gar nicht mehr amüsant und elegant. Aber der gewitzte Leser wird den mit leichter Hand hingetupften Andeutungen schon folgen können und seinen kultivierten Spaß an dem feingesponnenen, schillernden Textgewebe haben. Die Leser in ist Meienberg ja eh egal.
Und damit genug. Nein, er lohnt sich wirklich nicht. Wenn eine Zeit hat und Reportagen lesen möchte — ich empfehle die einschlägigen Bücher von Cheryl Benard und Edit Schlaffer, besonders Die Grenzen des Geschlechts: Anleitungen zum Sturz des Internationalen Patriarchats (1984; rororo Sachbuch 7775).
Ist dies schon Wahnsinn, hat es doch Methode 129
Vortrag für die Veranstaltung »Zur Krise der politischen Kultur« am iy. März 1988 in der Akademie der Männer-Künste 130 , Berlin, anläßlich der Verfassungsklage von Filmarbeiterinnen gegen die Regierung der Bundesrepublik Deutschland
Am vergangenen Sonntag [12./13. März 1988] hab ich mir nachts das Tennis-Match zwischen Steffi Graf und Gabriela Sabatini angesehen. Danach verlas Hans Joachim Kulenkampff Nachtgedanken, diesmal von Emerson. Zum Programmschluß gab es, wie üblich, das Deutschlandlied, dazu wurde »Westfälisches Handwerk« gezeigt. Es waren fast
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