Alle Menschen werden Schwestern
ausschließlich Männer am Werk. Eine einfühlsame optische Realisierung des »Liedes der Deutschen«, denn die Deutschen sind anscheinend alles Männer:
Einigkeit und Recht und Freiheit
Für das deutsche Vater land!
Danach laßt uns alle streben
Brüder lich mit Herz und Hand!
Einigkeit und Recht und Freiheit
Sind des Glückes Unterpfand —
Blüh im Glanze dieses Glückes,
Blühe, deutsches Vater land.
Die erste Strophe dieses Vaterlandsliedes darf bekanntlich nicht mehr gesungen werden:
Deutschland, Deutschland über alles,
Über alles in der Welt,
Wenn es stets zu Schutz und Trutze
Brüder lich zusammenhält,
Von der Maas bis an die Memel,
Von der Etsch bis an den Belt —
Deutschland, Deutschland über alles,
Über alles in der Welt.
Das größenwahnsinnige »Deutschland, Deutschland über alles / Über alles in der Welt« weckt fatale Erinnerungen; das »Von der Maas bis an die Memel, / Von der Etsch bis an den Belt« könnte unsere Nachbarinnen und Nachbarn bös vergrätzen.
Die erste Strophe des Deutschlandlieds ist »chauvinistisch« im traditionellen wie auch im modernen Sinn des Wortes. Ich zitiere aus dem Großen [sechsbändigen] Duden-Wörterbuch der deutschen Sprache von 1976:
Chauvinismus:
übersteigerter Patriotismus, Nationalismus [oft militaristischer Prägung], woraus Nichtachtung anderer Nationalitäten resultiert;
männlicher Chauvinismus:
übertriebenes männliches Selbstwertgefühl und Bevorzugung der Angehörigen des männlichen Geschlechts; Lehnübersetzung von engl.-amerik. male chauvinism.
Diese Veranstaltung trägt den Titel »Zur Krise der politischen Kultur«. Der herr-schende Begriff von »politischer Kultur« verträgt sich nicht mehr mit der ersten Strophe des Deutschlandlieds, da ist mann sensibel, besser: aus Schaden klug geworden. Nationalchauvinismus ist nicht mehr so ganz in. Völlig unsensibel ist mann jedoch anscheinend für den männlichen Chauvinismus, der das »Lied der Deutschen« prägt von der ersten bis zur letzten Strophe.
Die erste Strophe ist geächtet, die letzte wird uns seit der Wende allnächtlich um die Ohren gehauen — was ist mit der zweiten Strophe? Niemand spricht von ihr, niemand singt sie uns aus der Glotze vor — dabei birgt sie doch den Schlüssel für das Ganze. Ich zitiere:
Deutsche Frauen, deutsche Treue,
Deutscher Wein und deutscher Sang
Sollen in der Welt behalten
Ihren alten schönen Klang,
Uns zu edler Tat begeistern
Unser ganzes Leben lang —
Deutsche Frauen, deutsche Treue,
Deutscher Wein und deutscher Sang!
»Lied der Deutschen« heißt das Deutschlandlied ursprünglich. Die zweite Strophe macht unmißverständlich klar, wer das eigentlich ist, »die Deutschen«, wem es sozusagen in die schon immer so sangesfreudige Kehle geschrieben wurde: dem deutschen Mann. Denn es ist nicht anzunehmen, daß Hoffmann von Fallersleben (1798 — 1874) das Lied für nationalchauvinistische deutsche Lesben geschrieben hat, die sich nur von deutschen Frauen zu edler Tat begeistern lassen sollen.
Klar, die politische Kultur dieses Landes steckt seit Jahrhunderten in einer tiefen Krise, in knietiefem Matscho sozusagen — nur: Die Träger dieser sogenannten Kultur merken es überhaupt nicht.
Es ist bisher auch nur wenigen Frauen aufgefallen, daß unsere Parlamente allesamt verfassungswidrig bestückt sind. In diesen sogenannten Volksvertretungen ist nämlich die Mehrheit des Volkes, die Frauen, so gut wie nicht vertreten. Wie lautete doch der kühne Spruch der US-amerikanischen Revolution: No taxation without representation! >Keine Steuern ohne Vertretung [im englischen Parlament]*. Ein sehr beherzigenswerter Gedanke für alle deutschen Frauen! Keine Steuern mehr zahlen und das so Ersparte — unter anderen — großherzig den armen deutschen Filmemacherinnen zukommen lassen, damit aus unserer Herrenkultur endlich mal eine Kultur wird.
Bekanntlich haben wir Frauen es allein einer Frau, Elisabeth Selbert, zu verdanken, daß der Artikel 3 Abs. 2 des Grundgesetzes überhaupt dort hineingekommen ist. Im übrigen sind wir an diese ganzen von Männern erlassenen Gesetze eigentlich nicht gebunden. Mit »eigentlich« meine ich: rechtsethisch und rechtsphilosophisch betrachtet. Rechts-ethisch gilt der Grundsatz, daß eine Gemeinschaft sich an genau die Gesetze gebunden fühlt, die sie sich selbst erlassen hat. Deshalb befolgen wir hier nicht die Gesetze der DDR, der Sowjet-Union oder Saudi-Arabiens.
Übrigens richten sich
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