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Alle Menschen werden Schwestern

Alle Menschen werden Schwestern

Titel: Alle Menschen werden Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise F. Pusch
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Mamma, Venuß, Wasserfrau, Mehrjungfrau, Chimähre, Ute Ruß. Oder Sündfluth Verlag, Winz Verlag für weibliche Lust und Geschichte. Und sehr fein wäre natürlich auch (SUSANNE) AMRAIN VERLAG, weil das so ein schöner und schön klingender und unsexistischer Name ist.

    (Susanne an Luise)
    [...] Liebe Grüße, [...] von DAPHNE!

2 Daphne & Co.

    Es macht Spaß, für ein Kind einen Namen auszusuchen, zumal für ein ureigenes, eine ohne männliches Zutun gezeugte feministische Tochter, bei deren Taufe weder kirchliche noch standesamtliche Vorschriften zu beachten sind. Welcher Standesbeamte würde wohl Namen wie Carambolage, Malaria, Strapaze, Lawine, Krem fresch, Hydra, Famm fatal, Zitronenpresse, Courage, Tarantel, Zimpzicke, Belladonna, Primadonna, Donna Wetter, Donna Confetti oder Abschminke für das Töchterchen erlauben, obwohl an der Feminität dieser Namen ja nun kein Zweifel bestehen kann? Denn an die Grundvorschrift der Standesämter — »Das Geschlecht des Kindes muß am Namen zweifelsfrei erkennbar sein« — halten sich feministische Täuferinnen in aller Regel ganz ohne behördliche Nachhilfe.
    Kraß unseriöse Namen wie die obigen wollte meine Freundin Susanne (obwohl — oder weil? — »von der wilden Mänade gebissen«) also nicht für ihre Verlagstochter, sie nannte sie doch lieber Daphne. Der Griff in die Klassische Antike, überhaupt ins Mythisch-Vergangene, ist feministisch selten ein Fehlgriff, denn erstens klingen die Namen meistens sehr schön, zweitens eignen sich viele unserer Urmütter und antiken Vorschwestern bestens als Vorbilder, an denen es uns bekanntlich sehr mangelt. Die beliebteste Namensmatrone ist eindeutig die Frühfeministin Xanthippe, nicht unbedingt klang-, dafür aber auf jeden Fall kraftvoll und widerstandsfähig. Nach ihr wurden getauft: Frauenbuchläden in Mannheim und Amsterdam, die Frauenzeitung Uni Bonn sowie eine Frauenkneipe in Berlin. Um den zweiten Platz auf der Antiken-Beliebtheitsskala ringen Sappho und Kassandra: Sappho heißt sowohl der Frauenbuchladen und -vertrieb in Wiesbaden als auch das Lesbentheater in München (laut EMMA 1979.11.44; ob es noch heute besteht, weiß ich nicht). 42 Kassandra heißt eine Frauengalerie in Berlin, und im Februarheft 1985 meldete EMMA: »Eine Gruppe Schweizerinnen plant den Aufbau eines Frauenbildungs- und Ferienzentrums. Einen Namen hat das Kind schon, >Villa Kassandra<.« Ob Kassandras Beliebtheit auf sie selbst zurückgeht oder auf Christa Wolf, müßte noch erforscht werden.
    Atossa nannte Vera Tschechowa ihre Produktionsfirma, nach der persischen Königin und »ersten Frauenrechtlerin des Altertums« 43 , »denn Atossa hatte die ganze Macht« (Herodot). Marockh Lautenschlag (was für ein prunk- und prachtvoller Name auch dies!) nannte ihren Verlag Medea. Clio heißt die periodische Zeitschrift zur Selbsthilfe, die das FFGZ (Feministische Frauengesundheitszentrum) Berlin seit 1976 herausgibt. Eine der ersten Frauendruckereien hieß Diana, Pandora eine Frauenfilmgruppe, Sirene eine feministische Zeitschrift in Norwegen, und eine Berliner Frauenband nannte sich Lysistrara.
    Die Amazonen und ihre Doppelaxt, die Labrys, verhalfen vielen feministischen Einrichtungen zu würdigen Namen. Einer der ersten Frauenverlage war der Berliner Amazonen Verlag, der erste Berliner Frauenbuchladen hieß Labrys. In EMMA 1985.3.53 inseriert ein Amazonen-Express. Der Tübinger Frauenbuchladen heißt Thalestris, nach einer sagenhaften Amazonenkönigin.
    Über das Kölner Kulturzentrum Rkiannon schreibt COURAGE 1982.11.61: »RHIANNON ist der Name einer keltischen Göttin/Königin, die die All-Mutter und gleichzeitig den Amazonen-Aspekt der Göttin symbolisiert.«
    Lilith war nach altjüdischer Überlieferung Adams erste Frau, mit ihm zusammen von Mutter Erde hervorgebracht. Sie entfloh ihrem Ollen. Zur Strafe wurde sie in eine Teufelin verwandelt, und zur Feier dieser feministischen Großtat und Urszene wurde einer der ersten Frauenbuchläden nach Teufelin Lilith benannt. Ihr »unweibliches Empfinden« heißt in der Sprache der Mediziner Viraginismus, und Virago heißt der größte feministische Verlag Europas, Sitz London.

3 Down to earth!

    Bei weitem nicht alle Namen der Kinder der Frauenbewegung knüpfen an so grandiose Traditionen an, und lustig-frech à la Carambolage oder Strapaze sind gar die wenigsten. Sachliche Namen wie Frankfurter Frauenschule, Frauen lernen gemeinsam e. V., Fraueninitiative 6. Oktober, Verlag Frauenpolitik sind

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