Alle Menschen werden Schwestern
eher die Regel als die Ausnahme. Eine der ältesten feministischen Zeitschriften der Bundesrepublik (1974ff.) heißt schlicht Frauen und Film (frau beachte den feinen Unterschied zu Film und Frau der fünfziger Jahre!), eine der jüngsten ist Frauen und Schule. Die unkommerziellen Frauenzentren der ersten frauenbewegten Jahre identifizierten sich, ganz anders als die später aus ihnen hervorgegangenen Frauenkneipen und -cafés, ausschließlich mittels Ortsangaben, wie heute noch die Frauenhäuser und Frauen-Notrufe. In Konstanz, meinem damaligen Wohnort, hieß das Zentrum einfach Frauenzentrum Gütlestraße. Später gründeten einige Zentrumsfrauen das Frauencafé Belladonna. In der Rubrik »Frauentermine« der COURAGE jener Jahre heißt es nüchtern — und ernüchternd:
Frauenzentrum Aachen
Frauenzentrum Berlin
Frauenzentrum
Frauenzentrum Gießen
Frauenzentrum Heidelberg
Frauenzentrum Kassel
Frauenzentrum Kiel
Frauenzentrum Krefeld
Frauenzentrum Mülheim
Frauengruppe Trier
Frauenzentrum Wiesbaden
Frauenzentrum Wuppertal
usw. (alle COURAGE 1977.9)
Schmiedstraße
Stresemannstraße
Gropiusstadt
Ludwigstraße
Dreikönigstraße
Goethestraße
Gneisenaustraße
Alexanderplatz
Uhlandstraße
Georg-Schmidt-Platz
Adlerstraße
Friedrich-Engels-Allee
»Wie in Abrahams Schoß« — so läßt sich die Umwelt der meisten Fraueneinrichtungen und — Veranstaltungen wohl am besten umschreiben:
Gummersbach: Seminar »Gewalt gegen Frauen« in der Theodor-Heuss-Akademie der Friedrich-Naumann-Stiftung (COURAGE 1982.9.65).
»Frauen und Frieden« Wochenendseminar im Heinrich-Pesch-Haus Ludwigshafen (COURAGE 1982.9.65).
Die neue Berliner »Zentraleinrichtung zur Förderung von Frauenstudien und Frauenforschung« 44 residiert zwar begünstigt in der Königin-Luise-Straße, dafür ist aber der Name dieser »Zentraleinrichtung« um so häßlicher geraten. Dies scheint der Preis der männlichen Umarmung und Unterstützung zu sein. Feministinnen mögen weiblich-herb sein — das wahre Bürokratendeutsch gelingt ihnen selten. Und so entpuppt sich denn der schon sprachlich verdächtige »Verein zur Förderung der Gleichberechtigung von Frauen« als eine gemischtgeschlechtliche Angelegenheit, denn er hat »jeden Donn. Frauentreff« (COURAGE 1982.9.64).
Nach so viel Trockenheit brauchen wir jetzt eine kleine Erfrischung, Frauenpower:
Heute eröffnen wir das schönste gemütlichste informativste bunteste geschmackvollste größte vielfältigste Café. Mit den klügsten schönsten interessantesten erregendsten Frauen. Natürlich nur für Frauen. Im Frauenbuchladen Bismarckstraße, Hamburg (COURAGE 1982.10.64) [für den Mißton Bismarck in dieser Hymne kann ich nichts, er ist systembedingt, s.o., LFP].
4 Die Hexe, die Mondin und die Farbe Lila...
...sind, neben den mythischen Frauengestalten, die wichtigsten Inspirationsquellen feministischer Namengebung.
4.1 Daß die Mondin im Deutschen, gegen alle Vernunft und guten Sitten, in männlicher Verkleidung (der Mond) auftritt, stört dabei kaum: Entweder gibt frau ihr die richtige weibliche Gestalt wieder (. Bruchstücke einer Mondin, so heißt ein im Selbstverlag erschienenes Buch), oder sie wählt romanische Sprachformen, oder sie bleibt ungerührt bei Mond : Was schert’s die Mondin, daß der Deutsche sie maskulinisiert hat, sie ist trotzdem weiblich!
In Kalletal gibt es ein Frauenferienhaus La Luna, in Nürnberg gibt oder gab es (in der Wilhelm-Marx-Straße!) das Café Luna, in Basel den Mond-Buch-Verlag, in Berlin den Frauenselbsthilfeladen 13. Mond sowie eine »Gruppe Zwielicht« mit Mondrevue, und in Brechen b. Limburg nannten 1980 drei Frauen ihr alternatives Kino Mondpalast.
4.2 Lila ist die Farbe der Frauenbewegung — warum? Ich weiß es auch nicht, aber mir gefiel die Farbe schon immer, außerdem klingt lila natürlich viel weicher und »weiblicher« als die meisten anderen Farbbezeichnungen, die (wie viele männliche Vornamen, z.B. Kurt, Hans oder Bernd ) einsilbig sind und/oder markig auf Konsonanten enden: weiß, schwarz, grün, gelb, rot usw. 45
Es gab oder gibt (im folgenden werde ich mir diese Differenzierung schenken und nur noch das Präsens benutzen: Unmöglich, bei der Störanfälligkeit feministischer Institutionen im Patriarchat deren Lebensdauer jeweils zu recherchieren) regionale feministische Zeitschriften namens Lila Distel, Lila Klatschmohn und Lila Lotta, in Wien das Frauenbeisl Lila Löffel, in München einen Frauentreff
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