Alle Menschen werden Schwestern
Lilaterne, in Berlin ein Lila Lädchen (Second Hand für Frau und Kind) und in Bremen einen Lila Laden. Ganz offenbar spielt die Freude an Alliterationen bei den Lila -Namen eine große Rolle; die meisten klingen wie ein weicher Singsang. Liehe lila Grüße ist eine beliebte Grußformel unter Schwestern.
Das englische Wort für lila ist lavender; es wird hin und wieder für deutsche Einrichtungen übernommen: Frauenbuchladen Lavender in Stuttgart, Frauenrockband Lavender Jane. Das schöne Wort Lavendel mag die deutsche Frauenbewegung anscheinend nicht besonders, vielleicht weil es zu sehr an Parfüm und Seife erinnert?
Statt lila findet sich hin und wieder auch violett: Die Neue Violetta für Frauen liebende Frauen heißt eine Gruppe in Berlin.
4.3 Die Hexe ist die Identifikationsfigur der Neuen Frauenbewegung schlechthin, und zwar international. Sie ist das Symbol für weiblichen Widerstand, weibliche Weisheit und weibliches Martyrium.
Die erste deutsche Frauenkneipe war der Blocksberg in Berlin. Die kleine Hexe ist eine Berliner Zeitschrift für Mädchen und junge Frauen. Hexenkessel ist der Name einer Göttinger Zeitschrift und eines Frauencafes in Düsseldorf (ob identisch mit der ebenfalls aus Düsseldorf gemeldeten Hexenküche, weiß ich nicht). Der Frauenbuchladen in Kempten heißt Die Funkenhex’ , nach dem im Allgäu gepflegten Brauch, alljährlich die »Funkenhexen« anzuzünden. 1981 meldete die EMMA die Eröffnung eines Frauenbuchladens mit Café in Lüneburg namens Hexenhaus. Die Zürcher Rockband Framamu (Frauen machen Musik) spielt in der Hexenhöhle, und die Frauen in Erbach gründeten eine Hexenschule Rheingau e. V.
Das feministische Ursymbol Hexe wirkt zwar sehr verbindend, aber wo bleibt bei so vielen Hexen- Namen die Individualität?
Wer sucht, die findet, und zwar findet sie, daß Hexe auf das althochdeutsche Wort hagazussa zurückgeht, laut Grimm 46 »die das landgut, feld und flur schädigende«, laut DUDEN 47 »auf Zäunen od. Hecken sich aufhaltendes dämonisches Wesen«. Hagazussa nannte sich eine Gruppe schreibender Frauen in Berlin, und der soeben gegründete Kölner Frauengesundheitsladen mag es auch lieber in altdeutsch. Der Frauenbuchladen Düren hingegen wählte sich die Baba Jaga, die gewaltige furchterregende Hexe der russischen Dämonologie, als Namensmatrone. Und der Frauenbuchladen in Kassel heißt, nach einer anderen Ur-Hexe, Aradia.
5 Schimpfnamen für Frauen
Die deutsche Sprache ist, wie jede Sprache im Patriarchat, überreich an herabsetzenden Bezeichnungen für Frauen — ein Reservoir, in das wir nur beherzt hineinzugreifen brauchen, und schon haben wir farbig-kraftvolle Namen für feministische Neugründungen in Mengen. Der Trick ist alt und funktioniert immer: Wenn ich eine Beleidigung stolz zur Selbstbezeichnung mache, pufft sie ins Leere. Ich gebe damit dem Beleidiger zu verstehen, daß ich es geradezu als Ehre betrachte, von einem wie ihm verachtet und ausgegrenzt zu werden. Ein berühmtes Beispiel ist die Nazi-Ausstellung »Entartete Kunst«. Wer »nicht dazugehörte«, hatte allen Anlaß, an ihrer/seiner künstlerischen Qualität zu zweifeln. Und Frauen, die von Patriarchen mit Schimpfwörtern bedacht werden, haben allen Grund, darauf stolz zu sein, denn es beweist, daß sie nicht an MADness leiden (MAD = Male Approval Desire >der Wunsch, dem Mann zu gefallen< 48 ).
Mary Daly (1981: 35) schreibt über den Schimpfnamen par excellence, alte Hexe (englisch hag):
Hag wird auch definiert als »ein häßliches oder böse aussehendes Weib«. Angesichts der Herkunft dieser Definition könnte man das auch als Kompliment auffassen. Denn die Schönheit starker, kreativer Frauen ist »häßlich« nach den frauenfeindlichen Maßstäben von »Schönheit«. Der Anblick von frauenidentifizierten Frauen ist »böse« für diejenigen, die Angst vor uns haben. Und was das »alt« betrifft, so ist der Jugendlichkeitskult ein Merkmal der phallischen Gesellschaft. Für Frauen, die diese Wertungen hinter sich lassen, ist eine Alte eine, die ein Beispiel an Kraft, Mut und Weisheit sein sollte.
Die vielen auf den Namen Xanthippe oder hexisch getauften feministischen Töchter beweisen, daß wir unsere Daly-Lektion gelernt haben. Neben diesen prominentesten Beispielen und den bereits angeführten Namen Famm fatal (Frauenbund) bzw. femfatal (Frauenliste zum Studentinnenparlament Bonn, 1985) und Zimpzicke (Frauenbuchladen Dortmund) sind noch zu nennen: Die Bonner Blaustrümpfe
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