Alle Menschen werden Schwestern
— Witwe Chervet: Du sollst die Mädchen nicht »Bräten« nennen. 125
Wie wir soeben (und auch im Fall der bretonischen Arbeiterin) gesehen haben, berichtet Meienberg hin und wieder (eher: sehr selten) getreulich, was Frauen ihm beigebracht haben. Konditioniert durch seine schier unverwüstliche Frauenfeindlichkeit, ist frau angesichts solcher Mini-Oasen fast versucht, diese Unterbrechungen lobenswert (weil so erholsam) zu finden: Er hätte die frauenfreundlichen Eingebungen schließlich auch verschweigen können, oder?
Vorsicht! Die Freude über die paar »feministischen Entgleisungen« Meienbergs entspringt allein dem Gefühl »Es ist so schön, wenn der Schmerz nachläßt«! Dennoch — um der Vollständigkeit des Bildes willen soll hier auch dieser überraschende, nachgerade abartige Aspekt des Meienbergschen Œuvres vorgeführt werden. »Meienberg als Feminist« also, bitte sehr:
Eine junge Frau versucht, mutig und hartnäckig, vor etwa 5000 jungen Leuten ihr Mißbehagen in der männerbeherrschten Kirche zu formulieren (»Nous sommes TOUTES des frères«). Sie nimmt IHM [dem Papst] gegenüber Aufstellung und klagt die Männerherrschaft an, den Ausschluß der Frauen vom Priesteramt, und wird sofort niedergedröhnt von schreienden Frauen und Männern (Buben und Mädchen) [...] (Spaz. 119)
Vor zehntausend Frauen und Männern wird ER [der Papst] sagen: >Liebe Freunde<. (Spaz. 120) 126
Die Frauen werden, in kußmäßiger Hinsicht, [vom Papst] wie Kinder behandelt, ein väterlicher Schmätzer auf die Stirn, ein schnelles Übers-Haar-Streicheln. (Spaz. 114)
Solche Geißelungen gelten wohl in Militärkreisen als Kavaliersdelikt (etwa wie Scheibenschießen auf Frauen) [...] (Spaz. 250)
»>Jetzt wollen wir noch die Frauen besichtigen<, sagt Direktor Küher, und wir kommen in den Sortiersaal. [...] Hier erfährt man von einer Italienerin, daß der niedrigste Lohn in der Fabrik nicht bei 2500 Franken, sondern bei 1800 Franken liegt: ein Frauenlohn.« [So nachzulesen in Der wiss. Spazierstock , S. 230. Auf der nächsten Seite hat M. die niedrigst entlohnten Frauen bereits wieder vergessen. Dort heißt es: »Wer in der Fabrik arbeitet, hat nichts zu bestimmen, so wenig wie der Soldat im Militär. Er wird militärisch geführt [...] Die Arbeiter leben an der konkreten Maschine [dort arbeiten anscheinend tatsächlich nur Männer, aber genau erfährt es die Leserin nicht], die Offiziere entscheiden abstrakt im Büro.«]
PS: Das Staunen des Journalisten am Ende der Recherche: über die Frauen, die sich solche Züchtigungen gefallen ließen. Über die Journalisten, welche sie nicht erwähnenswert finden. Oder ist das allgemein gebräuchlich? Hat Kopp nur körperlich sichtbar gemacht, was in vielen andern Büros als psychische Mißhandlung praktiziert wird? Kann das Büroleben ohne sadistische Praktiken überhaupt funktionieren? (Spaz. 253)
»Dort habe ich einige Monate gearbeitet als Sekretärin, d. h. die Arbeit gemacht, welche in den allermeisten Fällen auch in dieser Stadt den Frauen Vorbehalten ist. [...] Dadurch habe ich die täglichen Demütigungen kennengelernt, welche Männer sonst nicht kennenlernen.« (Tats. 196) [Meienberg verrät aber nicht, wer die Frauen demütigt und warum. Kurz zuvor heißt es, ohne Kommentar: »In der subway rubschten die Männer ihre Schwänze gegen die Frauen und manchmal gegen die Männer.«]
»Uebersax. Wie er leibt und lebt und Faxen macht. Der harte Knaller, der permanent >Miezen< sagt statt >Frauen< (jedenfalls wenn er mit Männern redet).« (Spaz. 126) [Wichtig die Beobachtung »wenn er mit Männern redet«. Genauso verhält sich auch M.: Er rechnet in der Regel nur mit männlichen Menschen/Lesern — und schreibt auch so.]
»Niemand, auch keine von den engagierten Frauen, fühlt sich betupft oder gar mitverantwortlich, wenn wieder eine nackte Zwetschge auf’s Titelblatt kommt (welche immer kommen, wenn die Auflage ein bißchen sinkt.« (Spaz. 106) [Stilkünstler Meienberg registriert angewidert den Sexismus des Stern, benutzt dabei aber selbst einen extrem sexistischen Ausdruck.]
»...auch mit Frauen-Soldaten gestatte sie sich kein Fraternisieren bzw. keine Schwesterlichkeit.« (Tats. 187) [Das Sprachsensibelchen hat, endlich (vielleicht von den Frauen bei der WoZ ?); gelernt, daß Fraternisieren für den vertrauten Umgang mit/unter Frauen nicht ganz der passende Ausdruck ist (in der Kantonsschule Chur wollte er doch noch mit den Schülerinnen
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