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Alle Menschen werden Schwestern

Alle Menschen werden Schwestern

Titel: Alle Menschen werden Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise F. Pusch
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die frühe Zerstörung ihres Selbst, hätte ihn alarmieren sollen — statt dessen findet er nur höhnische Worte. Die späteren sexistischen Äußerungen seines Schülers (»diese prüden Geschöpfe«, S. 89) sind nicht verwunderlich bei einem Lehrer, der (wie einst im Mai bzw. zur schwülen Sommerszeit die Mitschülerinnen) seine Schülerinnen nach Äußerlichkeiten taxiert wie ein Viehhändler. Sind diese doch höhere Töchter wie Cécile und, verdammt, noch immer unerreichbar [Unzuchtparagraph!]. Fuchs M. und die sauren Trauben?? Die Leserin möge das selbst entscheiden anhand weiterer M.scher Säuerlichkeiten über »diese seltsame Fauna von höheren Töchtern«:

    Nur nichts Neues! Immer bei den bekannten Melodien bleiben! Die Ohrwürmer hätscheln! Ein Schlagerfestival für Höhere Töchter wird man das nennen dürfen, oder ein Wunschkonzert der konservativen Stände. (Spaz. 90)

    Hingegen zieht eine Anzahl von Instituten mit internationaler Besetzung und religiöser Direktion immer noch diese seltsame Fauna von höheren Töchtern nach Freiburg, welche von ihrer Familie in eine gutkatholische Umgebung geschickt werden. (Schwz. 127)

Zweiter Teil: Die mordsmäßige Autorität der Mutter 124

    Meienbergs Mutter ist eine der ganz wenigen Frauen, die bei ihm. überhaupt »Gestalt annehmen«, sogar mehr als der Vater. Immerhin widmet er ihr eine von den tausend Seiten, die ich gelesen habe — somit ist sie als zentrale weibliche Figur im Meienbergschen Schaffen einzuordnen. Auf Cécile entfiel auch etwa eine Seite. Von den insgesamt 94 Artikeln in den vier Büchern sind Frauen ganze zwei gewidmet: Es gibt eine Satire über die französische Astrologin Madame Soleil und einen freundlichen Artikel über Frau Arnold, Putzfrau, die mit der Titanic nach Amerika reiste und ihre Herrschaft überlebte. Sonstige »Frauen bei Meienberg« (alle auf weniger als einer Seite abgehandelt, auch wenn sie öfter erwähnt werden): Laure Wyss [seine ehemalige Kollegin vom Tagesanzeiger ]; »Verena von Winterthur« [seine Freundin]; Ulla Hahn; Elisabeth Kopp; die Tochter der Kopps; Dominique Grange, kommunistische Protestsängerin; die reichen Witwen (Spaz. 137-139); die Frau in der bretonischen Streikfabrik, Saint-Brieuc. Das wär’s dann schon. In den Sektionen »Köpfe« und »Häupter« [Bd. Tats.] nur Männer. Daß Frauen im Patriarchat nur selten »Häupter« (zum Beispiel gekrönte oder Staatsoberhäupter) werden, ist klar-daß sie aber auch keine Köpfe haben, überrascht denn doch. Es darf mit Fug geschlossen werden, daß Meienbergs ohnehin begrenztes Interesse für Frauen vor ihren Köpfen abrupt haltmacht. Warum?
    Die Mutter, so teilt der Sohn ehrlicherweise mit, war anscheinend nicht nur das Haupt, sondern auch der Kopf der Familie Meienberg. Ihr verdankt er letztlich sein gesellschaftskritisches Engagement:

    Die Mutter [...] hatte die Botschaft von der Gleichheit aller Menschen — Gleichheit vor Gott, aber Gleichheit alleweil — wirklich kapiert und praktiziert, und in ihrem Gefolge hatten die sechs Kinder fast keine andere Wahl, als diese auch zu glauben, und, von der Gleichheit ausgehend, wurde auch Gerechtigkeit angestrebt. Man hörte zum Beispiel, daß es wichtigere Dinge im Leben gab als Geld. [...] Dadurch hat sie mindestens einen ihrer Söhne, welcher auch nach der Kindheit glaubte, es komme im Leben auf die Macht der Argumente, nicht auf die Argumente der Macht an, in permanente Schwierigkeiten gestürzt. (Spaz. 12)

    Dies ist die einzige Stelle, an der Meienberg über die Vorgeschichte seines Engagements Auskunft gibt. Die Quelle des Meienbergschen Kampfes für die Gerechtigkeit ist also weiblich. Unfaßbar eigentlich, bei solchem Ursprung der Energie, wie halbherzig dieser Kampf geführt wird, wie einäugig, ja blind für das Wesentliche.
    Ich habe keine Erklärung für diesen Widerspruch, aber möglicherweise gibt Meienberg sie, indirekt, selbst: Demut habe die Mutter gefordert, nicht nur christliche Demut vor Gott, sondern auch Demut vor ihr. Und ihre »mordsmäßige Autorität« (Spaz. 13) hätte auch stärkere Männer als den Vater umgeworfen. Wir dürfen folgern: den Sohn erst recht. Vielleicht soll sie, sollen wir ihm nun alle, dafür büßen?

»Du sollst die Mädchen nicht >Bräten< nennen« oder Meienberg kann brauchen, was er von Frauen gelernt hat??

    Chervet, Werner: Das Leben geht schnell vorbei, und von den Mädchen muß man die Schönsten nehmen; ein guter Braten kommt nicht alle Jahre wieder.

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