Alle müssen sterben - Thriller (German Edition)
Zeitschrift auf die Schenkel.
„Vergiss es! Jeder Mensch hat Träume und das sind eben meine Träume, die mich am Leben erhalten! Mein Vater hatte keine Träume und ist mit sechzig gestorben. Sein ganzes Leben bestand nur aus sinnloser, ehrlicher Schufterei.“
Zorn lächelte gequält und dachte an seinen Vater Zoltan, der ihn nächtelang gezwungen hatte, die Ungarische Rhapsodie von Liszt auf dem Klavier zu spielen, so lange, bis seine Finger ganz blutig gewesen waren. Doch Edgar hatte sich gerächt und den Lieblingshund seines Vaters, einen Zwergdackel, im Kamin verbrannt. Noch immer hatte er dieses entsetzliche Jaulen im Ohr, als der Hund versuchte, sich aus dem Kamin zu befreien, wo ihn Edgar festgekettet hatte. Der Todeskampf des Hundes war so intensiv gewesen, dass Edgar eine Erektion bekommen hatte und seit diesem Tag war er für immer verdorben.
12. Der eisgraue Wolf
Die Modeschule „Herzblut“ befand sich in Gmunden in einem Schloss, das auf einer künstlich aufgeschütteten Insel mitten im Traunsee stand und nur über einen schmalen Holzsteg zu erreichen war. Von der Straße aus führte ein schmaler Trampelpfad durch einen ungepflegten Park mit zerfallenden Skulpturen und rostigen Objekten. Von außen erinnerte das Schloss eher an eine graue, von feuchten, grünlich schimmernden Flecken und verfaulten Kletterpflanzen überwucherte Burg mit drei mehrstöckigen Gebäuden, die einen hohen Turm im Zentrum umschlossen. Uferseitig bestand das Schloss aus einer Mauer mit Schießscharten und dem Eingang durch ein nur noch halb vorhandenes verwittertes Holztor. Außer dem Steg, der vom Seeufer bis zum Tor führte, gab es keine weitere Möglichkeit, in das Schloss zu gelangen. Im Schlosshof waren die sich an drei Seiten entlangziehenden Arkadengänge von wildem Wein überwuchert und zwischen den Steinplatten spross das Unkraut. Der Dauerregen hatte den Innenhof in eine trübe Kloake verwandelt, die bereits gegen die steinernen Türschwellen schwappte.
Im ersten Stockwerk über den Arkadengängen waren die Designstudios, die Schneiderei und die sonstigen Unterrichtsräume untergebracht. Im Stockwerk darüber befanden sich die Zimmer der Studenten, die keine Fenster in den Hof hatten, sondern ausschließlich zum See hinaus, sodass die modrigen grauen Mauern im zweiten Stock den Innenhof noch düsterer erscheinen ließen.
„Unsere Schüler lieben dieses pittoreske Flair des Zerfalls, diese Musik der Auflösung“, sagte Dimitri di Romanow, Kreativdirektor der Modeschule „Herzblut“ zu Tony Braun und Dominik Gruber, als sie mit ihm die engen, steilen Treppen nach oben gingen. „Deshalb lassen wir alles so, wie es ist. Das ist auch das Einzigartige von ,Herzblut‘.“
Endlich erreichten sie das Atelier von Dimitri di Romanow und Braun seufzte erleichtert, denn länger hätte er sich das abgehobene Gefasel dieses Kreativen nicht mehr anhören können. Das Atelier sah genauso beschissen aus wie das restliche Schloss. Es war kalt, zugig, düster und roch nach Moder und alten Putzlappen. Die Feuchtigkeit fraß sich langsam durch die Mauern und an den oberen Ecken konnte man schon grünlich schillernden Schimmel und schwarze Pilze erkennen. Aus den hohen, schmalen, wie Schießscharten wirkenden Fenstern hatte man zwar einen Panoramablick über den See und den Park, doch im Moment war die Landschaft nebelig grau und es goss immer noch in Strömen.
„Sie wissen, warum wir hier sind?“, begann Braun das Gespräch und angelte sich mit einem Fuß einen zerschlissenen Barockstuhl, auf dem er sich vorsichtig niederließ.
„Natürlich!“ Dimitri nickte artig wie ein Schüler. Er setzte sich kerzengerade in einen Lederstuhl mit hoher Lehne und strich ständig über seine krankhaft schlanke Taille, die ihm sehr zu gefallen schien. „Tim Kreuzer wurde letzte Nacht ermordet und war ein Schüler von ,Herzblut‘.“
„Woher wissen Sie von dem Mord?“, hakte Inspektor Dominik Gruber schnell nach.
„Die Polizei hat mich noch in der Nacht angerufen“, antwortete Dimitri postwendend und lächelte zaghaft.
„Darf ich auf Ihrem Handy sehen, wann der Anruf gekommen ist?“ Auffordernd streckte Gruber die Hand aus, doch Dimitri schüttelte lächelnd den Kopf.
„Zu dumm! Ich habe ein Reset durchführen müssen, da die Software meines Handys beschädigt war. Tut mir wirklich leid, dabei wurde die Anrufliste gelöscht.“
Braun lächelte, während er zuhörte. Gruber hatte das ganz richtig gemacht, aber der
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