0134 - Der Goldene aus der Geisterstadt
Aus einem Reptilrachen drangen quäkende, schnarrende Laute. Krallenfinger schabten über Gestein. Ein Wesen, das nicht aus der Menschenwelt stammte und unsagbar fremd in seiner Struktur und seinem Aussehen war, lachte, schrie seinen Triumph hinaus in den Kosmos. Riesige Milchstraßensysteme vibrierten, als der Triumphschrei tausendmal schneller als das Licht durch das Universum raste und allen Kreaturen der Finsternis verriet, daß Ynnchaahr Erfolg gehabt hatte. Der Erzgegner der Dämonen war endlich, nach so unendlich langer Zeit, vernichtet worden.
Professor Zamorra war - tot!
Immer noch lachte die dämonische Kreatur, lachte und schrie. Quäkend und schnarrend war dieses Lachen. Ynnchaahr lachte und tanzte seinen Siegestanz.
»Asmodis«, schrie und röchelte es. »Er wird mich fürstlich belohnen. Zamorra ist tot!«
Nur Triumph gab es in der Gedankenwelt des Monsters. Blitzschnell wechselte es durch fünf Dimensionen, um seinen Triumph auch dort hinauszuschreien und es allen mitzuteilen, was ihm gelungen war.
Ynnchaahr hatte Zamorra getötet!
Ynnchaahr träumte von einem dämonischen Reich, das Asmodis ihm schenken würde. Wie lange versuchten die Dämonen und auch der Fürst der Finsternis selbst schon, diesen Professor zu vernichten! Wie viele hatten dabei schon ihre eigene Existenz verloren, und dabei war es doch so einfach gewesen, so einfach…
»Zamorra ist tot!« schrie Ynnchaahr wieder. Seine Hornschuppen verschoben sich gegeneinander und knirschten dabei. Ein Feuerschwall brach aus seinem Rachen hervor. »Zamorra ist tot!«
Ynnchaahr triumphierte.
Er war es gewesen, dem das Unglaubliche gelungen war.
Er allein - Ynnchaahr!
***
»Es tut mir aufrichtig leid, Mademoiselle Duval«, sagte Doktor Goulennes schließlich. »Aber wir haben getan, was wir nur konnten. Es ging nicht mehr.«
»Er ist tot…« murmelte Nicole Duval tonlos. Sie starrte an Goulennes vorbei auf einen imaginären Punkt an der weißgetünchten Wand. »Er ist tot…«
Goulennes senkte den Blick. Er fühlte sich unbehaglich. Aber es blieb ihm keine andere Möglichkeit. Irgendwann hatte er es sagen müssen. Jetzt war es heraus, und diese junge Frau vor ihm stand nur da und schwieg und starrte die Wand hoch.
»Wir haben alles versucht«, begann Goulennes, Chefarzt der Klinik und als Fünfundvierziger noch Junggeselle, erneut. »Aber…«
»Der Blutverlust, nicht wahr?« murmelte Nicole verhalten. »Ich hörte etwas von ›acht Minuten ohne Sauerstoffversorgung des Gehirns‹ und so. Bitte, Doktor…«
Goulennes griff nach ihrem Arm. Er sah, daß sie schwankte, und führte sie zu einem Sessel. Nicole fiel einfach hinein, kraftlos, leer, verbraucht.
»Wie konnte das nur geschehen?« fragte sie verzweifelt. »Er war ein hervorragender Fahrer. Ich kann es immer noch nicht begreifen. Es ist doch unmöglich. Die Straße war gerade - und…«
Doktor Goulennes hob die Schultern.
»Mir auch unbegreiflich, Mademoiselle.«
»Was mir unbegreiflich ist, daß ich unverletzt geblieben bin«, sagte sie. »Ein paar blaue Flecken, sonst nichts. Einfach herausgeschleudert, und dann… mein Gott…«
»Soll ich Ihnen ein Taxi rufen?«
Nicole schüttelte den Kopf. »Ich lasse mich abholen. Lassen Sie mich telefonieren. Raffael wird mich holen.«
Goulennes fragte nicht, wer Raffael war. Wahrscheinlich der Diener, überlegte er. Zamorra gehörte das Château Montagne, und ein Schloß ohne Diener war wie eine Kartoffel ohne Brille.
»Bleiben Sie hier, ruhen Sie sich aus. Geben Sie mir die Nummer, und ich rufe an«, erbot sich der Arzt. »Und ich injiziere Ihnen ein Sedativum…«
»Bleiben Sie mir mit dem Zeugs vom Hals«, wehrte Nicole ab. »Glauben Sie, ich überlebe den Schock sonst nicht?«
Er sah sie abwartend an. Schließlich nannte sie ihm die Telefonnummer von Château Montagne.
Eine halbe Stunde später war der gute Geist des Hauses da. Raffael war seltsam blaß, aber er fragte nichts. Nicole war ihm dankbar dafür. Sie mußte erst selbst mit dem Geschehen fertig werden, und während der schwere Wagen die Straße von Roanne zum Château entlangglitt, rasten ihre Gedanken zurück in die Vergangenheit.
So war es geschehen…
***
Für jeden, der Professor Zamorra nicht näher kannte, wirkte der große, schlanke Mann kaum wie ein Akademiker, eher schon wie ein Sportler. Das war kein Wunder, weil Zamorra nicht zu den Typen gehörte, die hinter ihrem Schreibtisch vertrockneten, sondern jede Gelegenheit nutzte, sich nicht nur
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