Alle muessen sterben
meinen Sie damit?“ Irritiert zog Braun seine Augenbrauen hoch.
„Ich will über alle Ergebnisse sofort informiert werden. Im Zweifelsfall entscheide ich, in welche Richtung wir weiter ermitteln! Ist das klar?“
„Das lässt ja an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig, Polizeipräsidentin! Ich habe es schon verstanden“, murmelte Braun und lächelte zynisch.
„Dann ist soweit alles im Laufen. Ich erwarte schnellstens Ergebnisse. Nochmals: Sie erstatten ausschließlich mir Bericht, haben Sie mich verstanden?“
„Was ist mit der Staatsanwaltschaft? Wird nicht auch Oberstaatsanwalt Ritter in den Fall eingebunden? Wir können doch nicht an ihm vorbei ermitteln“, warf Braun ein und dachte an den Oberstaatsanwalt, der aus spektakulären Fällen gerne für sich Kapital schlug, um sich so mit allen politischen Entscheidungsträgern gutzustellen.
Aber nun hatte der Oberstaatsanwalt in Elena Kafka anscheinend eine ebenbürtige Gegnerin gefunden, die keine Skrupel hatte, einen spektakulären Mordfall an sich zu reißen, um daraus positive Publicity zu schlagen.
„Den Oberstaatsanwalt nehme ich mir selbst vor, das braucht Sie nicht zu kümmern“, antwortete Elena Kafka und blickte Braun scharf an.
„Mir geht es nicht um Publicity in einem spektakulären Mordfall, Braun“, schien sie Brauns Gedanken zu erraten. „Ich habe Georg Kreuzer versprochen, den Mord an seinem Sohn Tim aufzuklären.“ Sie erhob sich langsam aus ihrem Lederstuhl, um Braun zu signalisieren, dass die Besprechung zu Ende war, stützte sich mit einem Handrücken auf der Schreibtischplatte ab und fixierte Braun mit ihren schwarzen Augen, die wie Kohlestücke glühten. „Ich habe Georg Kreuzer mein Wort gegeben, dass mein bester Mann den Fall so schnell wie möglich aufklärt.“
Sie streckte Braun ihre rechte Hand entgegen und als Braun sie drücken wollte, zuckte sie zurück.
„Diese Striemen in Ihrer Hand fühlen sich ja an wie Löcher.“
Ihre Stimme bekam plötzlich einen eisenharten Klang. „Ich habe so etwas schon einmal gesehen und ich will so etwas nie wieder sehen!“
6. Der Einsame im Schloss
Ein Idealmaß für eine Taille sind 43 Zentimeter. Diese perfekte Silhouette erreichen nur wenige. Den meisten fehlt es an der Disziplin und dem Willen, sich täglich zu schnüren und damit auch in der Nacht nicht aufzuhören. Besonders in den Nächten, wenn sich der Mond hinter den Wolken verbirgt und der Regen an die Fenster prasselt, dann wird das Schnüren vor dem großen Spiegel zu einem quälenden Ritual. Es ist quälend, wenn die senkrechten Verstrebungen, die aus biegsamem Metall und oben zugespitzt sind, in die Haut piksen, die noch immer zu schwabbelig, untrainiert und nicht reif für die metallene Schnürung ist.
Die Silhouette, die Dimitri di Romanow in dem riesigen Wandspiegel betrachtete, war alles andere als perfekt, aber er arbeitete verbissen daran, sie so zu perfektionieren, dass sie ein V bis zur Taille bildete und von dort ein stilisiertes Herz zu den Hüften. Das war ein langer Weg, das war schwierig und erforderte einen eisernen Willen, den er sonst nicht hatte. Tagsüber hing er meist schlaff in seinem Turmzimmer herum, war froh, wenn ihn niemand störte, denn nur so konnte er seinen Gedanken nachhängen. Diese Gedanken kreisten immer um Korsetts aus Latex oder Gummi und Masken, mit denen man die Atemluft regulieren und einen Erstickungstod simulieren konnte. Aber am wichtigsten war ihm das Schnüren, das er bereits mit fünfzehn Jahren begonnen hatte, als er in Minsk seine Tante beobachtet hatte, die sich in ein fliederfarbenes Mieder so eng schnüren ließ, dass sie in Ohnmacht fiel und bewusstlos von ihrem Neffen vergewaltigt wurde. Der Neffe konnte nur mit Müh und Not dem Onkel entkommen, der ihn sonst totgeschlagen hätte. Seither interessierte sich der Neffe nicht mehr für die Frauen, nannte sich Dimitri und wurde auf dem immer eiskalten Hauptbahnhof von Minsk von den Reisenden der ersten Klasse gerne gebucht. Einer dieser First-Class-Reisenden hatte schließlich Erbarmen mit ihm gehabt und ihn mit in den Westen genommen. Dimitri wurde jedoch älter und die Konkurrenz größer. Deshalb verlegte er sich auf das Schnüren, da gab es zwar nur einen kleinen Kundenkreis, aber dieser war beständig und treu. Doch als einer seiner Kunden in einem diskreten Hotel in Tallinn an einer Komplettschnürung erstickte, war es mit seiner Karriere vorbei. Er wurde wegen abartiger Sexualpraktiken mit Todesfolge zu
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