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Alle muessen sterben

Alle muessen sterben

Titel: Alle muessen sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B. C. Schiller
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fünf Jahren Haft verurteilt und hatte es nur einer Laune des Schicksals zu verdanken, dass er das Gefängnis in Tallinn überlebte.
    Vor einigen Jahren war er dann in dieses Schloss der Modeschule „Herzblut“ gekommen und hatte zunächst als Gehilfe der Kreativdirektorin begonnen, um vor drei Jahren ihre Stelle einzunehmen. Er war soweit ganz glücklich.
    Seufzend riss er sich von seinem Spiegelbild los, stolzierte auf seinen eleganten, hochhackigen Stiefeln durch sein Atelier bis zu dem großen Arbeitstisch, der sich in der Mitte des Raumes befand und der mit Zeichnungen und Papieren überhäuft war. Zu Beginn der Woche hatte Dimitri alle Motive und Designs gesichtet, die im Lauf der letzten Zeit bei ihm eingetrudelt waren, und eine Auswahl getroffen. Jetzt lagen die Entwürfe ordentlich aufgereiht auf dem Tisch und Dimitri schritt sie ab wie ein General eine Parade. Natürlich waren die Entwürfe nicht zu vergleichen mit jenen der demnächst erscheinenden „Burning Souls“-Kollektion, aber trotzdem verfügten sie über eine durchgängige Linienführung und ein starkes Grundmotiv. Vorsichtig verpackte er die Blätter in einer großen schwarzen Mappe und blickte aus dem schmalen Schießscharten-Fenster hinaus auf den schwarzen Traunsee. Noch vor wenigen Stunden war er völlig durchnässt zurückgekehrt, hatte das lange, schmale Ruderboot im Gebüsch am Ufer versteckt und die Luft angehalten, um bei der anschließenden Schnürung noch einen Zentimeter zu gewinnen – oder war es die Angst gewesen? Die Angst vor dem, was draußen passiert war?
    Er dachte an die lodernde Feuerfackel auf dem See und hatte sich zunächst ein Lächeln nicht verkneifen können, wenn er an die dummen Touristen dachte, die glaubten, Zeuge eines künstlerischen Spektakels zu sein. Aber dann hatte sich der Schatten eines Zweifels in seinem Hinterkopf festgesetzt und er war ruhelos in dem feuchten Turmzimmer auf und ab gegangen, ohne auch nur eine Sekunde an Schlaf zu denken. Draußen am See war das Feuer längst erloschen, nur mehrere Boote der Wasserschutzpolizei leuchteten mit ihren grellen, unbarmherzigen Scheinwerfern über den See und als ein ferner Lichtstrahl auch das Schloss streifte, zuckte er panisch zurück, obwohl er aus dieser Entfernung nicht gesehen werden konnte.
    Er liebte dieses Schloss mit seinen verwinkelten Gängen und unzähligen Zimmern, die alle ein Geheimnis bargen und trotz der allgegenwärtigen Feuchtigkeit und Kälte immer noch Grandezza und Geborgenheit vermittelten. Nie hätte er sich träumen lassen, dass er jemals ein Schloss bewohnen würde, aber das Schicksal hatte es gut mit ihm gemeint.
    Hatte es so lange gut mit ihm gemeint, bis Tim Kreuzer als Schüler hier aufgetaucht war. Mit Tim hatte er die geheimen Verließe, die sich im vermoderten Keller befanden, erkundet. Tim hatte ihn in einem dieser feuchten, von Ratten bevölkerten Verließe an die Wand gekettet und dann einen ganzen Tag hängen lassen, ohne auf seine Hilferufe zu reagieren, als die Ratten schon begonnen hatten, an seinen Beinen hochzuklettern. Er war so wütend gewesen, als Tim endlich zurückgekommen war, aber dann sah er in Tims graue Augen und alles war vergeben und vergessen. Auch die Angst verschwand, dass Tim ihn eines Tages verlassen könnte.
    Er blickte in den Park hinunter, der schwarz und unheimlich wirkte. Tim hatte ihn oft mit den Skulpturen im Park verglichen. Kein sehr schmeichelhafter Vergleich, aber Dimitri fand auch dafür entschuldigende Worte. Tim sprach vom Wert der Skulpturen, nicht von ihrem Aussehen. Dimitri war sich ganz sicher, dass Tim es so gemeint hatte.
    Denn wirklich interessant war nicht das baufällige Schloss, sondern der verwilderte Park, der sich an dem Seeufer entlangzog. Es war ein Skulpturengarten, in dem die Objekte so überraschend zwischen den Büschen und Bäumen entlang des Weges aufgestellt waren, dass sie auf die Besucher zu lauern schienen, um ihnen entgegenzuspringen und sie mit ihren Fratzen zu erschrecken.
    Es waren mehr als ein dutzend Skulpturen aus Stein oder Marmor, die der frühere Besitzer des Schlosses selbst entworfen hatte. Der Künstler hatte versucht, die Chimären seiner Albträume in diesen Objekten zu verarbeiten, und so reichte die Bandbreite der Kunstwerke von buckligen Zwergen über verkrümmte Frauen mit hervorbrechenden Kopftumoren bis hin zu völlig entstellten Elefantenmenschen. Viele der ursprünglich hellen Marmorskulpturen waren durch den vielen Regen fast völlig

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