1227 - Vampir-Drama
Jeff Wilson, Regisseur und zugleich Produzent, klatschte in die Hände. »Cut! Schluss, aus! Das war's! Das war sogar super.« Er stand auf und klatschte weiter. »Wirklich, ihr habt eure Sache hervorragend gemacht. Richtig echt, und so muss es auch sein.«
»Danke, Jeff.« Die Blonde nickte und tippte gegen ihren Hals, an dem noch das Blut aus der Bisswunde zu sehen war.
»Wir haben uns auch verdammt Mühe gegeben.«
»Das weiß ich doch.«
»Pause, Jeff?«
»Klar doch.« Jeff Wilson blickte auf die Uhr. »Sagen wir eine halbe Stunde.«
Stella gefiel das nicht. Sie zog einen Flunsch und strich zugleich über die schimmernde Seide ihres schwarzen Kleids, das bis zu den Knöcheln reichte und seine Glockenform in Richtung Hals immer mehr verlor, sodass die Schultern freilagen und das Kleid nur von einem dünnen Samtband um den Hals herum gehalten wurde. »Ist das nicht ein bisschen kurz, Jeff?«, beschwerte sie sich.
Wilson kannte das Spiel. Er tat, als müsste er überlegen. Er quälte sich, schaute wieder auf die Uhr und nickte schließlich.
»Na ja, sagen wir eine Stunde.«
»Super, danke.«
Stella wollte sich abwenden, aber der Regisseur hatte noch etwas zu sagen. »Wir werden nicht drehen, sondern die nächsten Passagen des Drehbuchs durchgehen. Du kannst ja schon mal reinschauen, wenn du Lust und Zeit hast.«
»Mal schauen.« Sie winkte locker und ging. Wie eine Akteurin auf der Bühne verschwand sie im Hintergrund, wo der Vampir stand, der sie gebissen hatte.
Er hieß Ari Gorman und war bewusst für diesen Film gecastet worden, denn Jeff Wilson hatte unter all seinen Schauspielern keinen gefunden, der den Blutsauger so perfekt in Szene setzte wie dieser Neuling. Ari spielte den Vampir nicht nur, er war der Vampir. Er verhielt sich auch außerhalb der Drehzeiten so.
Er zog sich von dem gesamten Filmteam zurück und sprach eigentlich nur mit seiner Partnerin.
Als sie ging, bewegte er sich ebenfalls und blieb an ihrer Seite. Ein Beobachter konnte das Gefühl haben, einen Menschen zu erleben, der nicht über den Boden ging, sondern darüber hinwegschwebte.
Wilson drehte sich wieder um. Er schaute den Mann an, der auf dem Regiestuhl sitzen geblieben war.
»Na, wie hat dir das gefallen, Bill?«
Der Reporter Bill Conolly nickte. »Sehr gut, Jeff. Das war wirklich überzeugend. Die beiden sind klasse.«
»Danke, danke, so habe ich das auch gesehen. Komm, steh auf, lass uns was trinken gehen.«
»Nichts dagegen.« Bill drückte sich langsam in die Höhe.
Sein Gesicht zeigte dabei einen sehr nachdenklichen Ausdruck.
Es stimmte, er hatte alles gesehen, und seine echte Meinung geäußert. Die Szene zwischen den Partnern hatte gestimmt, und sie war im wahrsten Sinne des Wortes hingebungsvoll gespielt worden. In der Studiohalle war die düstere Dekoration aufgebaut worden. Sie stellte einen Zimmerausschnitt aus dem Schloss des Blutsaugers dar, der seine Bräute dorthin führte, um sich an deren Blut zu laben.
Jeff Wilson wollte mal wieder einen Vampirfilm drehen.
Einen richtig alten Streifen, nicht modern, sondern in der Tradition der legendären Hammer-Filme, die ihre große Zeit vor 40 bis 50 Jahren gehabt hatten, aber bei den Fans und den Freaks auf keinen Fall vergessen worden waren. Für Wilson war das eine Marktlücke, eine Nische in einem Genre, das immer verrückter wurde und inzwischen durch die virtuelle Technik schon Filme produzierte, die ohne Schauspieler auskamen, wobei die Akteure aber aussahen wie Schauspieler, obwohl sie nicht aus Fleisch und Blut, sondern aus lauter Pixels bestanden.
Das passte Wilson nicht. Er steuerte dagegen und war überzeugt, auch ein Publikum für seinen Film zu finden. Wenn das eingetreten war, dann wollte er weitermachen und sich der anderen Gruselthemen wie Werwolf und Mumie annehmen. Da sollte die schaurige Klassik eine Wiederauferstehung erleben.
Bill Conolly und Jeff Wilson kannten sich. Der Regisseur wusste auch, dass der Reporter einiges erlebt hatte und sich gerade mit Themen auskannte, die normalerweise nicht zur Allgemeinbildung eines Menschen gehörten. Er war so etwas wie ein Grusel-Experte, wie Jeff Wilson wusste. Er versuchte immer, aus Bill etwas herauszukitzeln, um Stoff für seine Filme zu bekommen. Bisher hatte Jeff Pech gehabt. Bill hatte ihm höchstens hin und wieder ein paar Krumen zugeworfen, die den Regisseur nur noch hungriger gemacht hatten.
Die Einladung zum Dreh hatte der Reporter gern angenommen. Er wollte auch in einer Zeitschrift
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