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Alle muessen sterben

Alle muessen sterben

Titel: Alle muessen sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B. C. Schiller
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Waldmädchen könnte seine Privatvorstellung besuchen und ihm applaudieren, wenn er seine Taille präsentierte. Doch als er die Tür aufriss und die düstere Wendeltreppe nach unten starrte, war es bloß eine Ratte, die schnell durch ein Loch in der verwitterten Mauer nach draußen huschte.
    Von einem anderen Schießscharten-Fenster sah er den Trampelpfad durch den verwunschenen Schlosspark – dort entdeckte er ihren Schatten und wusste, dass sie wieder zurück in den Wald hastete, dorthin, wo er lichtlos, still, einsam und am undurchdringlichsten war und sie daher am sichersten. Aber nichts war brüchiger als die Sicherheit, das hatte das Waldmädchen am eigenen Leib verspürt und deshalb war sie auch immer in Bewegung, hielt alles mit ihrem Smartphone fest, um niemals zu vergessen, dass das Leben auch grausam sein konnte. So jedenfalls hatte man es ihm damals erklärt, als er den Posten von der Kreativdirektorin übernommen hatte.
    Dimitri blieb zurück, einsam, mit verschnürter Taille und einem spitzen Draht, der im Begriff war, sein Herz zu durchbohren.

7. Das Feuer der Erinnerung

    Das Haus steht mitten im Wald und wirkt aus der Entfernung wie eine Ruine. Auf dem kleinen, verschmierten Display des Handys ist nicht klar zu erkennen, ob es noch bewohnt ist, denn die Hand, die mit diesem Handy filmte, zitterte vor Aufregung. Langsam nähert sich die Handykamera jetzt dem Haus, das wie ein typisches Salzkammergut-Forsthaus aussehen würde, wenn es nicht völlig schwarz wäre. Das verwirrt zunächst, aber dann sind die Rußspuren deutlich zu sehen und man bildet sich ein, noch immer den Brandgeruch in der Nase zu haben, obwohl Ruß und Feuer vom Regen längst weggewaschen und mit vielen verkohlten Erinnerungen im Boden versickert sind. Denn der hintere Teil des Hauses, dort, wo sich normalerweise Stall und Garagen befinden, ist bis auf die Grundmauern abgebrannt.
    Aber wenn man mit der Geschichte dieses Hauses vertraut ist, dann weiß man, dass sich in diesem hinteren Teil die ausgebauten Schlafzimmer befunden haben, die komplett zerstört sind. Von dem vorderen Teil des Hauses stehen noch die kompakten Ziegelmauern und ein Teil des Daches. Dort, wo das Dach durch den Brand eingestürzt ist, wurde notdürftig eine Plane gespannt, um zu verhindern, dass Regen oder Schnee bis in den noch halbwegs intakten vorderen Teil des Forsthauses gelangen.
    Aber dieses Provisorium interessiert im Grunde niemanden. Viel interessanter sind die halb verkohlten Möbel und sonstigen fast völlig zerstörten Erinnerungsstücke, die von dem Feuer und der Witterung schwer in Mitleidenschaft gezogen wurden und jetzt noch immer genauso im Regen stehen wie damals, als das Feuer ausgebrochen ist. Das von Fettschlieren und Regentropfen überzogene Display zoomt ein angekohltes Foto heran, das anscheinend eine Bedeutung hat, denn sonst würde die Handykamera nicht darauf verharren. Die Frau, die auf dem Bild zu sehen ist, lacht und ihre langen roten Haare flattern in einem imaginären Wind. Dann ist das Bild auch schon wieder vergessen und ein vom Regen aufgequollener Bilderrahmen mit einer verwässerten Zeichnung hinter dem gesprungenen Glas kommt in den Vordergrund. Es ist die mit wenigen Strichen hingeworfene Skizze eines nackten jungen Mädchens mit strähnigen Haaren und großen Augen. Die Schrift am unteren Rand ist schwer zu entziffern, doch dann fährt die Handykamera näher und die Buchstaben werden deutlicher: „Für mein Banshee-Mädchen“.

8. Ein Sohn hasst seinen Vater

    Immer wieder ist der brennende Kopf zu sehen, die Haut, die sich langsam von dem Schädelknochen löst, um dann in schmalen Bahnen zusammengerollt zu verschmoren und einfach in der großen Hitze zu verschwinden. Die Augen flackern wild umher, treten aus den Höhlen, beginnen im Feuer zu verdampfen wie kleine Schneebälle, von denen nichts weiter übrig bleibt als eine gallertartige Flüssigkeit, die über den Wangenknochen nach unten sickert wie silberne Tränen, aber schnell in der Hitze verdampft.
    Edgar Zorn starrte gebannt auf das Video, schloss die Augen, doch als er sie wieder öffnete, war noch immer der Schädel zu sehen, von dem aber nun fast nichts mehr an einen Menschen erinnerte.
    „Das ist einfach grauenhaft. Wie kaltblütig muss man sein, um dieses Horrorszenario zu filmen“, murmelte er vor sich hin, als er das Video erneut abspielte. Mit angehaltenem Atem betrachtete er die verwackelte und unscharfe Szene mit dem Segelboot auf dem schwarzen

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