Alle muessen sterben
Jetzt feuerte Glanz wie besessen, schoss einem räudigen Schäferhund das Maul weg und traf einen Pinscher direkt ins Auge. Einem kleinen Mischlingshund, der hündisch schwanzwedelnd auf Glanz zukroch, zerfetzte er aus nächster Nähe zuerst die Vorderpfoten, dann das Rückgrat und starrte wie hypnotisiert auf den im Todeskampf zuckenden Hund, der nur noch wimmerte und jaulte. Seine Hand mit der Pistole beschrieb einen zittrigen Halbkreis. Zwei Kugeln pfiffen über den Beton der Straße und fetzten als Querschläger in die Dunkelheit. Die nächste Kugel erwischte aber doch noch einen narbenübersäten Pitbull und zerschoss ihm die Hinterbeine. Glanz lachte laut und zornig, als der Hund versuchte, auf seinen Vorderbeinen zu flüchten, und eine Blutspur hinter sich herzog. Schwankend überholte er den Pitbull, stellte sich breitbeinig vor ihn, umfasste den Griff der Pistole mit beiden Händen und schoss ihm mitten durch den Schädel. Wieder drückte er ab, doch es war nur noch das Klacken des Schlagbolzens zu hören, das Magazin war leergeschossen.
Langsam, so als würde er aus einer blutigen Trance erwachen, drehte sich Glanz um, zielte auf Zorn, der wachsbleich und schlotternd am Kofferraum der Limousine lehnte und fassungslos auf das Gemetzel auf der Autobahn starrte.
„Du bist vollkommen verrückt, Hendrik!“, schrie Zorn mit schriller, überkippender Stimme. „Du bist ja nicht mehr zurechnungsfähig!“
Vor Glanz’ Augen verschwammen Zorn und die schwarze Limousine, das Blut rauschte in seinen Ohren, der Regen tropfte ihm unablässig in den Kragen und als er mit der Zunge über seine wulstigen Lippen leckte, fühlten sich diese rau und rissig an. Wieder zerrte er an seinem einschnürenden Hemdkragen, hätte sich am liebsten nackt ausgezogen und sich in dem prasselnden Regen gereinigt, das Böse von sich abgewaschen und wäre dann als neuer Mensch wieder aufgewacht.
Doch auf dieser leeren Autobahn in Transnistrien packte ihn jetzt nur der Sekretär Jewtschuk an den Schultern, nahm ihm die Pistole aus der Hand, führte ihn an dem zitternden und feige zu Boden starrenden Edgar Zorn vorbei und schob ihn in den Fond des Wagens. Dort roch er das Parfüm der Dolmetscherin, legte seinen hässlichen, schwabbeligen Kopf in ihren Schoß, spürte, wie sie entsetzt und angeekelt hochschreckte, dann aber doch angespannt sitzen blieb und nur heftig atmete.
„Alle Welt verachtet mich“, flüsterte Glanz. „Aber ich halte die Fäden in der Hand und jeder muss nach meiner Pfeife tanzen, sonst ergeht es ihnen wie den Hunden!“
21. Zwei einsame Herzen
Als Tony Braun die Nummer wählte, dauerte es quälend lange, bis sich jemand meldete. Er hörte zunächst bloß das nervige Tuten des Telefons, das ihn beinahe verrückt machte und seine Nerven ziemlich reizte. Zum Glück hatte er am Abend im Anatolu Grill einige Dosen Bier gezischt und auch zu Hause seinen Biervorrat bereits ziemlich reduziert. Deshalb war er auch nicht so nervös wie sonst, sondern klopfte nur mit seinen Fingerspitzen ganz zart auf seinen Couchtisch.
Plötzlich setzte das monotone Tuten aus und eine Stimme meldete sich. Nicht eine Stimme, sondern diese Stimme, rau, zerstört, nicht von dieser Welt und ein Glücksgefühl durchströmte ihn. Ein Blättchen seines Digitalweckers, den er extra für diese Telefonate gekauft hatte, klappte nach unten: 02:01 Uhr. Es war eine perfekte Nacht.
„Hallo, Kim, wir sind verabredet!“
„Ach, du bist es, Braun.“ Ihre Worte kamen schleppend und sie klang unendlich müde.
„Geht es dir nicht gut?“, fragte er besorgt und presste das Handy fest an sein Ohr.
„Doch, doch, mir geht es gut, aber ich habe heute noch nicht geschlafen.“
„Sind die Nebenwirkungen der Medikamente so stark?“ Nervös stand er auf und ging an den weißen Regalen entlang, in denen sich seine Schallplatten bis unter die Decke stapelten. An die 2.000 LPs waren es wohl, bei Gelegenheit würde er sie durchzählen. Dann hörte er Kim laut auflachen.
„Du bist echt süß, Braun. Wenn ich dir alle Nebenwirkungen aufzähle, telefonieren wir morgen noch.“
„Ich hätte nichts dagegen.“ Braun setzte sich wieder auf seine Couch und versuchte diskret eine Dose Bier zu öffnen.
„Trinkst du ein Bier, Braun?“
Kim hatte das verhaltene Zischen natürlich gehört, als Braun die Dose geöffnet hatte.
„Nur einen kleinen Schluck, damit ich dann besser einschlafen kann“, log er und trank die halbe Dose leer.
„Weißt du was, Braun,
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