Alle muessen sterben
Wagens.
„Willkommen in Transnistrien“, sagte Sekretär Jewtschuk in unglaublich schlechtem Englisch und grinste bis über beide Ohren. „Wir fahren jetzt nach Tiraspol und morgen früh in die Fabrik Octotex.“
„Octotex ist angeblich die größte Textilfabrik Europas“, mischte sich jetzt wieder Glanz ein und seine Augen glühten vor Begeisterung. „Da gibt es keine EU-Standards, deshalb können wir auch zu einem Bruchteil der Kosten produzieren.“ Gierig leckte sich Glanz über seine wulstigen Lippen und beugte sich ganz nahe zu Zorn hinüber, sein Körperschweiß war überdeutlich zu riechen.
„Niemandem in der EU-Kommission wird etwas auffallen. Die Fabrik von Red Zorn in Linz erhält wie bisher nur die zugeschnittenen Stoffe aus Moldawien. Dafür gibt es ja auch von meiner Abteilung die Fördermittel. Die komplette weitere Produktion erfolgt wie immer ausschließlich in Österreich. So jedenfalls steht es in den Förderansuchen an die EU-Kommission!“
„Aber wenn jemand dahinterkommt, dass in Linz nur einige Teile zusammengenäht oder die Labels eingestickt werden und die gesamte Produktion hier in Transnistrien erfolgt? Es gibt doch Kontrollen der Kommission“, gab Zorn zu bedenken.
Glanz lachte dröhnend und klopfte sich auf die Schenkel. „Natürlich gibt es Kontrollen. Es gibt sogar einen eigens dafür bestellten Parlamentarier.“
„Wie bekommen wir den Parlamentarier auf unsere Seite?“ Zorn blickte ängstlich zu Glanz und wischte sich die schweißnassen Hände an seiner Hose ab. „Wissen wir überhaupt, wer das ist? Kannst du endlich mit diesem blödsinnigen Lachen aufhören!“ Zorn war sichtlich irritiert über den nicht enden wollenden Heiterkeitsausbruch von Glanz, der sich jetzt mit seinem Handrücken die Lachtränen aus den Augen wischte.
„Du bist viel zu ängstlich, Edgar. Dein Vater war da ganz anders, der hatte noch Mumm in den Knochen!“
„Lass meinen Vater aus dem Spiel“, unterbrach ihn Zorn.
„Ich kann dir zu deiner Beruhigung sagen, dass ich von der Kommission ernannt wurde, die richtige Verwendung der Subventionen zu kontrollieren.“ Der Karpfenmund von Glanz verzog sich zu einem breiten Grinsen, als er Zorn aufmunternd auf die Schulter klopfte. „Das ist doch gut. Über mein Büro laufen deine Subventionen. Und das Beste daran ist, dass ich selbst diese ganze bürokratische Prozedur kontrolliere!“
Während Glanz redete, hatte er aus der Bar, die sich in der Rückenlehne der Vordersitze befand, eine Flasche Wodka geholt und nun füllte er drei Gläser randvoll. „Trinken wir auf eine lukrative Partnerschaft!“, rief er und prostete Zorn und Jewtschuk zu. Er trank sein Glas ex leer und goss sich sofort ein neues ein.
Der Wodka zeigte Wirkung, denn Glanz gelang es erfolgreich, die Erinnerung an sein früheres Leben als einfacher Stadtrat von Linz zu verdrängen und sich tatsächlich einzubilden, er wäre durch harte Arbeit auf seinen jetzigen Posten gekommen. Das schlechte Gewissen kratzte zwar ein wenig an den hinteren Winkeln seines Gedächtnisses, doch der klare Wodka ertränkte diese kleinkarierten Regungen.
Was soll mir auch schon passieren! Ich bin nun in einer Position, wo ich nur noch weggelobt werden kann!
Er trank jetzt den Wodka aus der Flasche, der unglaublich gut schmeckte und Glanz das Gefühl gab, unverwundbar, unangreifbar und geradezu unsterblich zu sein.
„Warum trinkst du nicht, Edgar“, lallte er und stierte aus blutunterlaufenen Augen auf Zorn, der ihn mit einem verkniffenen Gesichtsausdruck beobachtete und sein noch immer halb volles Glas nervös zwischen den Fingern drehte. „Du sollst trinken!“, brüllte Glanz, dessen Gesicht jetzt immer mehr an einen aufgeschwemmten Karpfen erinnerte. Jewtschuk und die Dolmetscherin lachten laut auf, als er Zorn das Glas aus der Hand nahm, selbst leertrank und dann in hohem Bogen durch das offene Autofenster auf die regennasse Autobahn warf.
„So macht man das hier, wenn man ein richtiger Mann sein will“, grunzte er und fuhr mit seiner Hand am Oberschenkel der Dolmetscherin hinauf, die regungslos sitzen blieb und ihn nur unverbindlich anlächelte.
„Wie lange brauchen wir noch zum Hotel?“, schnauzte er dann in Richtung Fahrer und rülpste kräftig.
„Wir sind in einer halben Stunde dort“, antwortete die Dolmetscherin und beobachtete ihn wachsam.
Glanz schob seinen dicken Kopf aus dem Fenster, ließ den Regen auf seinen fast kahlen Schädel prasseln und warf die leere
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