Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Alle sieben Wellen

Titel: Alle sieben Wellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Glattauer
Vom Netzwerk:
Vergiss nicht: Du verfügst über tonnenschwere Gefühlsschränke. Du brauchst sie nur gelegentlich zu lüften.
     
    15 Minuten später
    AW:
    Was mich interessieren würde: Hat sich durch unsere zwei Treffen etwas bei dir verändert, Emmi?
     
    40 Sekunden später
    RE:
    Bei dir?
     
    30 Sekunden später
    AW:
    Zuerst: Bei dir?
     
    20 Sekunden später
    RE:
    Nein, zuerst: Bei dir?
     
    Eine Minute später
    AW:
    Okay, zuerst: Bei mir. Aber davor musst du mir noch die ausständigen Fragen beantworten. Das ist ein faires Angebot, meine Liebe.
     
    Vier Stunden später
    Betreff: Fragenkatalog zwei
    Gut. Bringen wir es hinter uns:
    1.) Wieso habe ich nach Boston wieder Kontakt zu dir aufgenommen? Wieso wohl? – Weil das Dreivierteljahr »Boston« das schlimmste Dreivierteljahr seit der offiziellen Spaltung von Jahren in vier Viertel war. Weil der Mann der Worte sich wortlos aus meinem Leben geschlichen hatte. Feige, durch eine Hintertür im Postausgang, die mit einem der grausamsten Botschaften der Gegenwartskommunikation verriegelt war. Der Spruch begleitet mich bis heute in meine Träume (und wenn die Technik es böse meint, jederzeit auch wieder in meine Mailbox): ACHTUNG. GEÄNDERTE E-MAIL-ADRESSE, blablabla.
    Leo, unsere »Geschichte« war noch nicht fertig. Flucht ist nie der Endpunkt, immer nur dessen Hinauszögerung. Das weißt du ganz genau. Sonst hättest du mir nicht geantwortet, neuneinhalb Monate danach.
    2.) Wie denke ich heute über die Umstände, die zu unserer E-Mail-Trennung geführt hatten? – Leo, was ist das für eine Frage? Was sollen das für Umstände gewesen sein? Dir war die Sache mit mir zu viel geworden, zu viel oder zu wenig. Zu wenig für deine emotionelle Investition, deine illusionistischen Ausgaben. Zu viel für den praktischen Gewinn, deine realen Einnahmen. Das Unternehmen Emmi hat sich nicht mehr gerechnet. Du hattest die Geduld mit mir verloren. Das, lieber Leo, waren die Umstände, die zu unserer E-Mail-Trennung führten.
    3.) Jetzt wird’s spannend: Wie konnte ich Bernhard verzeihen? – Leo, ich habe diese Frage jetzt mindestens zwanzig Mal gelesen.Ich verstehe sie nicht, ehrlich nicht. WAS hätte ich Bernhard verzeihen können sollen? Dass er mein Ehemann ist? Dass er unserer E-Mail-Liebe im Wege stand? Dass er dich durch seine Existenz letztendlich in die Flucht geschlagen hat? Leo, worauf zielt deine Frage ab? Das musst du mir erklären.
    4.) So, und zum Abschluss: Wie konnte ich dir verzeihen? Ach, Leo. Ich bin bestechlich. Schöne E-Mails von dir – und ich verzeihe dir alles, sogar neuneinhalbmonatige Kunstpausen. Fertig!!
     
    Zehn Minuten später
    Kein Betreff
    So, mein Lieber, und jetzt verrätst du mir, ob sich durch unsere Treffen etwas bei dir verändert hat. (Und natürlich: was.) Wangenkuss und Handinnenflächenpunktberührung, Emmi.

KAPITEL SIEBEN

 
    Am nächsten Abend
    Betreff: Leo?
    Leo?
     
    Am nächsten Morgen
    Betreff: Weckruf
    Leo?
    Leeeooo?
    Leo eo eo eo eo eo eo eeeeeeeeooooooooo??
    Le e e e e e e e e eeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeooooooooo???
     
    Elf Stunden später
    Betreff: Treffen
    Liebe Emmi, können wir uns noch einmal treffen? Ich muss dir etwas sagen. Es ist wichtig, denke ich.
     
    Zehn Minuten später
    RE:
    »Pam« ist schwanger!
     
    Drei Minuten später
    AW:
    Nein, Pamela ist nicht schwanger. Pamela hat nichts damit zu tun.
    Hast du morgen oder übermorgen irgendwann kurz Zeit?
     
    Eine Minute später
    RE:
    Klingt dramatisch! Wenn es eine gute Nachricht ist, die du mir plötzlich so dringend persönlich zu überbringen hast, dann: Ja, ich habe »irgendwann kurz Zeit«!
     
    Zwei Minuten später
    AW:
    Es ist keine gute Nachricht.
     
    40 Sekunden später
    RE:
    Dann verkünde sie mir schriftlich. Aber bitte noch heute! Ich habe morgen einen schweren Tag. Ich muss wenigstens ein paar Stunden schlafen.
     
    Zwei Minuten später
    AW:
    Bitte, Emmi, lass uns lieber in den nächsten Tagen einmal in aller Ruhe darüber reden! Und jetzt zerbrich dir nicht den Kopf und geh ins Bett. Ja?
     
    40 Sekunden später
    RE:
    Leo, ich lasse mich gerne trösten. Aber ich lasse mich nicht VERtrösten. Nicht von dir. Nicht auf diese Weise. Nicht mit den Worten »Zerbrich dir nicht den Kopf und geh ins Bett«. Also sag schon!
     
    30 Sekunden später
    AW:
    Emmi, bitte, glaub mir, das Thema gehört nicht in die Gute-Nacht-Mailbox. Darüber müssen wir von Angesicht zu Angesicht reden. Auf ein paar Tage kommt es dabei wirklich nicht an.
     
    50 Sekunden

Weitere Kostenlose Bücher