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Alle sieben Wellen

Titel: Alle sieben Wellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Glattauer
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später
    RE:
    LLL, SSS!!!
    (Lieber Leo Leike, sprechen Sie sofort!!!)
     
    Zehn Minuten später
    AW:
    Okay, Emmi: Bernhard weiß von uns. Zumindest wusste er von uns. Das war der Grund, warum ich mich zurückgezogen hatte.
     
    Eine Minute später
    RE:
    ??? Leo, was ist das für eine absurde Behauptung? Was soll Bernhard gewusst haben? Was gab es da überhaupt zu wissen? Und wieso willst du das wissen? Wenn das wer wissen müsste, dann doch eher ich, denke ich. Leo, mir scheint, du hast dich da in eine schräge Verschwörungstheorie verrannt. Ich bitte um Aufklärung!!
     
    Drei Minuten später
    AW:
    Emmi, bitte frage Bernhard! BITTE REDE MIT IHM! Es liegt nicht an mir, sondern an ihm, diese Sache aufzuklären. Ich habe nicht gewusst, dass er dir nie davon erzählt hat. Ich habe es mir nicht vorstellen können. Ich wollte es nicht wahrhaben. Ich dachte, du willst mit mir einfach nicht darüber reden. Aber du weißt es anscheinend wirklich nicht. Er hat es dir bis heute nicht gesagt.
     
    Zwei Minuten später
    RE:
    Leo, langsam mache ich mir Sorgen um dich. Hast du Fieber? Wo schwebst du mit deinen Fantasien? Warum in aller Welt soll ich Bernhard auf dich ansprechen? Wie stellst du dir das vor? »Bernhard, wir müssen reden. Leo Leike sagt, du weißt von ihm, von ihm und mir, um es genau zu nehmen. Wer Leo Leike ist? Du kennst ihn nicht. Das ist der Mann, den ich selbst nie gesehen hatte und von dem ich dir nie erzählt habe. Du kannst ihn also gar nicht kennen. Nun behauptet er aber hartnäckig, du weißt von ihm, du weißt von uns (...).«
    Leo, bitte, krieg dich wieder ein, du machst mich nervös!
     
    Eine Minute später
    AW:
    Er hat unsere E-Mails gelesen. Er hat mir anschließend eine E-Mail geschrieben. Er hat mich gebeten, dich einmal zu treffen, um dich dann für immer in Ruhe zu lassen. Daraufhin habe ich den Job in Boston angenommen. So war es, in aller Kürze. Ich hätte dir das lieber ins Gesicht gesagt.
     
    Drei Minuten später
    RE:
    Nein. Das gibt es nicht. Das ist nicht Bernhard. Das würde er niemals tun. Sag, dass es nicht wahr ist. Nein, das kann nicht sein. Leo, du weißt gar nicht, was du da anrichtest. Du lügst. Du zerstörst alles. Das ist eine ungeheuerliche Verleumdung. Das hat Bernhard nicht verdient. Warum tust du das? Warum machst du alles kaputt zwischen uns? Oder bluffst du? Ist das ein Scherz? Was ist das für ein Scherz?
     
    Zwei Minuten später
    AW:
    Liebe Emmi, es gibt kein Zurück mehr. Ich hasse mich dafür, aber es standen nur diese zwei Möglichkeiten offen. Entweder mein Rückzug und Schweigen auf Lebzeiten. Oder die Wahrheit. Viel zu spät. Unverzeihlich spät. Unverzeihlich, ich weiß. Ich schicke dir im Anhang die E-Mail, die mir Bernhard vor über einem Jahr, am 17. Juni, unmittelbar nach seinem »Kollaps« beim Wanderurlaub mit den Kindern in Südtirol, zugesandt hat.
     
    Betreff: An Hr. Leike
    Sehr geehrter Herr Leike, es kostet mich große Überwindung, Ihnen zu schreiben. Ich gestehe, ich geniere mich dafür, und mit jeder Zeile wird meine Verlegenheit, in die ich mich selbst bringe, größer werden. Ich bin Bernhard Rothner, ich glaube, ich muss mich Ihnen nicht näher vorstellen. Herr Leike, ichwende mich mit einer großen Bitte an Sie. Sie werden verblüfft oder gar schockiert sein, wenn ich die Bitte ausspreche. Ich werde im Anschluss daran versuchen, Ihnen die Beweggründe dafür darzulegen. Ich bin kein großartiger Schreiber, leider bin ich das nicht. Aber ich werde mich bemühen, in dieser für mich unüblichen Form all das auszusprechen, was mich seit Monaten beschäftigt, wodurch mein Leben nach und nach außer Tritt geraten ist, mein Leben und das meiner Familie, ja auch das Leben meiner Frau, ich glaube, ich kann das schon richtig beurteilen, nach all den Jahren unserer harmonischen Ehe.
    Und hier nun die Bitte: Herr Leike, treffen Sie sich mit meiner Frau! Bitte tun Sie es endlich, damit der Spuk sein Ende hat! Wir sind erwachsene Menschen, ich habe Ihnen nichts vorzuschreiben. Ich kann Sie nur flehentlich bitten: Treffen Sie sie! Ich leide unter meiner Unterlegenheit und Schwäche. Was glauben Sie, wie erniedrigend es für mich ist, solche Zeilen zu formulieren. Sie dagegen haben sich nicht die geringste Blöße gegeben, Herr Leike. Sie haben sich nichts vorzuwerfen. Ja, und ich, auch ich habe Ihnen nichts vorzuwerfen, leider, leider habe ich das nicht. Einem Geist kann man nichts vorwerfen. Sie sind nicht greifbar, Herr Leike, nicht antastbar, Sie sind

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