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Alle Toten fliegen hoch: Amerika

Alle Toten fliegen hoch: Amerika

Titel: Alle Toten fliegen hoch: Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Meyerhoff
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weit! Super, Randy.« Doch er war unzufrieden. »Geht so.« Noch immer rollte sich die Angelsehne ab. Mit jedem Meter wurde mir dieser See unheimlicher. Es roch eigentümlich. Vielleicht war es das warm-faulige Wasser im Boot neben dem Steg. Randy warf auch noch die beiden anderen Angeln aus und tatsächlich waren beide Würfe noch weiter als der erste. Die Ruten legte er einfach auf den Steg. Zuletzt klemmte er an jede Angelspitze ein kleines Glöckchen. Diese Glöckchen hatte ich noch nie gesehen. »Wofür sind die denn?« »Na, wofür wohl? Überleg mal.« »Wenn einer anbeißt, bimmelts.« Er mochte das Wort »bimmelts«. »Genau. Und wenn keiner anbeißt, bimmelts nicht.«
    Er klappte einen Angelstuhl auf und stopfte sich eine Pfeife, »gegen die Mücken«, wie er sagte. Wir redeten nicht viel. Saßen da und sahen zu, wie sich die Konturen des gegenüberliegenden Ufers und die schwärzliche Oberfläche des Sees immer mehr zusammenschoben. Die Kälte des Wassers stieg durch die Ritzen des Stegs und im allerletzten Licht zickzackte eine Fledermaus über unsere Köpfe hinweg. Randy stand auf. Gab mir die Taschenlampe. Sorgfältig legte er drei Dinge auf ein Küchenhandtuch: einen Hakenlöser, ein Messer und ein von meinem Bruder selbst geschnitztes und verziertes Holzstück. Mein Bruder nannte es »Totschläger«. Randy wog das Ding prüfend in der Hand. »Hat das dein Bruder gemacht?« »Ja!« »Nicht schlecht.« Mir wurde mulmig zumute. Wie er da stand! Im Taschenlampenlicht, mit dieser kleinen Keule, an der noch die Fischschuppen vom letzten Mord blitzten. Mir war kalt und ich legte mich in den muffigen Schlafsack. Ich sah Randy von hinten im Angelstuhl sitzen. Er hätte auch siebzig sein können. Wie er da hockte. Rundrückig und Pfeife rauchend.
    Das Nächste, woran ich mich erinnern konnte, war lautes Glöckchengebimmel. Erst begriff ich gar nicht, wo ich mich befand. Randy hielt eine der Angeln in der Hand. Der Strahl der Taschenlampe streifte die Zweige. Ich fand den Reißverschluss. Randy rief: »Nimm die Taschenlampe, los mach schon, nimm die Taschenlampe!« Ich wusste nicht, wohin ich leuchten sollte. Das Glöckchen bimmelte hell, hysterisch. Randy zupfte es von der Angelsehne, es fiel ihm aus der Hand, kugelte über den Steg, rutschte zwischen zwei Planken hindurch und platschte leise ins Wasser. Ich sah, wie die Spitze der Angel stoßartig zuckte. »Ist einer dran! Ist das ein Aal?« »Vielleicht. Wer soll sonst um diese Uhrzeit da unten Hunger haben?« Randy legte einen kleinen Hebel an der Angelrolle um und plötzlich surrte die Schnur herunter. »Ich muss ihn erst gehen lassen, sonst hat er zu viel Kraft.« Ich leuchtete mit der Taschenlampe auf die Stelle, wo die Angelsehne verschwand, doch das Licht reichte nicht weit hinein. Immer wieder legte Randy den kleinen Hebel um. Kurbelte die Schnur auf und ließ sie wieder ab. Er flüsterte: »So, jetzt hol ich ihn.« Sehr gleichmäßig drehte er die Rolle auf. Zwischen Angelspitze und Wasseroberfläche rannen winzige Tropfen die Angelsehne hinunter. Wir starrten beide gebannt auf den grünlichen Taschenlampenkreis. Ich war so gespannt, dass ich zu blinzeln vergaß und meine Augen ganz trocken wurden. Randy zog die Angel nach oben, testete den Widerstand. »Ich glaub, das ist ein Großer.« Er legte zwei Finger auf die Angelsehne. »Hier, spürst du das?« Ich machte es wie er. Fühlte den Puls der Angelschnur. Meine Fingerkuppen durchliefen Bewegungen. Auch wenn sie minimal waren, waren sie doch kraftvoll und verzweifelt. »So«, verkündete Randy, »jetzt müsste er bald kommen.« Meter für Meter rollte er die Schnur auf. Es dauerte. Und dann sah ich ihn. Schwarz und dick. Ich gab einen eigenartigen Ton von mir. Einen tonlosen Begeisterungsschrei. Randy war überwältigt. »Oh my Goodness, los hol das, den Kasch … das Netz. Den kriegen wir sonst nie raus.« Der Aal war dick und seine Länge hatte nichts mehr mit einem Fisch zu tun. Er war schlangenlang. Der Kescher war noch zusammengelegt und ich bekam ihn nicht auf. Randy hatte den Aal bis ganz dicht an den Steg herangezogen. »Was machst du denn?«, rief er. »Nun komm schon. Ich brauch das Netz!« Aber ich war viel zu aufgeregt. Ich war vollkommen durcheinander. Ich bekam diesen Kescher einfach nicht auseinander. Randy wurde immer ungeduldiger: »Los, komm her. Halt die Angel.« Hinter mir hörte ich ihn fluchend mit dem völlig verhedderten Kescher kämpfen. Der Aal war plötzlich ganz müde. Er

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