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Alle Toten fliegen hoch: Amerika

Alle Toten fliegen hoch: Amerika

Titel: Alle Toten fliegen hoch: Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Meyerhoff
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die Brust bekam. Er rang nach Luft, krümmte sich auf dem Boden, und ich stand neben ihm und sagte, ohne mich hinunterzubeugen: »Next time I would catch it!«
    Jedes Mal, wenn jemand nur eine einzige Minute zu spät zum Training erschien, bekam ich unglaublich schlechte Laune und strafte den Schuldigen mit Nichtachtung oder ein paar Extraeinheiten Linienlauf. Nach vier Wochen waren noch drei Schüler übrig. Drei! Zwei von ihnen waren unter eins siebzig und so ungeschickt, dass ich es als persönliche Beleidigung empfand, wie sie zu dribbeln und zu werfen versuchten. So viel Unvermögen konnte es nicht geben, so blöd konnte sich kein Mensch freiwillig anstellen! Sie waren gekommen, um mich zu quälen, mich mit ihrem Antitalent zu strafen. Mir ist bis heute nicht ganz klar, wie ich in der Lage war, diesen Schwund so rigoros zu ignorieren. Mit mir waren wir nur noch vier. Wir waren nicht einmal mehr genug für eine vollständige Mannschaft. Doch ich trainierte eisern weiter und schwang pathetische Reden über den Zusammenhang von Ballbeherrschung und Sprungkraft: »Das ist so super«, schwärmte ich, »wenn du abspringst und in der Luft den Ball zugepasst bekommst. Du fängst den Ball. Um dich herum der Lärm der Zuschauer, die Musik, das Geschrei der Cheerleader. Du hast den Ball! Du bist immer noch in der Luft. Siehst den Korb. Und du steigst und steigst. Setzt zum Wurf an und du weißt hundertprozentig, dass du triffst. Das ist so super, wenn du todsicher bist, dass du den Ball ohne den Ring zu berühren im Netz versenken wirst. Wisst ihr, ihr müsst jetzt endlich mal damit aufhören, euch darüber zu wundern, dass ihr TREFFT ! Wundert euch, wenn ihr NICHT trefft!« Zum Abschluss jeden Trainings beorderte ich meine völlig geräderte Rumpfmannschaft an die Freiwurflinie. Jeder hatte zehn Würfe. Am Ende der Saison hatte meine Quote in Laramie bei fast neunzig Prozent gelegen. Auch jetzt traf ich von zehn Würfen sieben oder acht. Aber etwas hatte sich in meinen Bewegungsablauf eingeschlichen, das mich irritierte. Was war los? Etwas hakte. Die fein abgestimmte Koordination war aus unerfindlichen Gründen dahin. Auch ertappte ich mich dabei, wie ich beim Werfen hin und wieder auf den Ball sah und nicht, wie ich es schon zur Gänze verinnerlicht hatte, immer nur auf das Ziel, »the target«, den Korb. Von den drei Schülern traf einer keinmal, einer einmal und einer zweimal. Ich rief: »That’s ridiculous! Was sind das für Gurkenwürfe? Ihr macht alles falsch, was man nur falsch machen kann! Konzentriert euch doch mal. I can’t believe it. What a crap!« Da sagte der Jüngste von den dreien – er war im Grunde der Einzige gewesen, der ganz gut war und der immer sein Bestes gegeben hatte – ohne mich anzusehen: »Oh Mann, jetzt hör mal auf, dich so aufzuspielen. Wir haben darauf echt keinen Bock mehr. Wir wollen einfach nur ein bisschen auf den Korb werfen und Spaß haben. Ich mein, du bist echt gut und so, und wir können ’ne Menge von dir lernen, aber du führst dich hier auf wie der komplette Vollarsch!« Die beiden Kleinwüchsigen nickten und einer von ihnen fügte hinzu: »Und dass du andauernd auf Englisch rumlaberst, ey, das nervt total!« Ich nahm den Ball, meinen echten, von Jerry überreichten, vielfach signierten Lederball, ging zum Ausgang, drehte mich um und rief, nein brüllte: »Für euch scheiß Luschen ist mir meine Zeit echt zu schade!« Während ich mich umzog, hörte ich in der Halle vereinzelte Lacher, Zurufe und wie die Bälle gegen den Basketballring schepperten. »Oh Mann«, dachte ich, »what the fuck! Diese Versager treffen immer nur den Ring! Kein einziger sauberer Korb! Immer knallen diese Arschlöcher den Ball voll gegen den Ring!«
    Zum nächsten Training kam niemand mehr. Null! Ich war alleine. Alleine in der großen Halle und warf auf den Korb. Zwei Stunden lang umspielte ich imaginäre Gegner, ließ keine Übung aus und ging erst duschen, nachdem ich es geschafft hatte, von zehn Freiwürfen alle zehn im Korb zu versenken: hundert Prozent.
    Ein paar Tage nach dem Ende meiner kurzen Trainerkarriere machte ich einen Waldlauf. Ich zog mir meine amerikanischen Basketballschuhe an. Ich liebte diese Schuhe. Es waren gepolsterte Schnürstiefel, die so gut passten, sich so perfekt an den Fuß anschmiegten, als wären sie maßgeschneidert, eigens für mich gemacht. Nur während des Trainings und natürlich bei den Spielen band man sie, um die Knöchel zu schützen, bis ganz oben. Trug

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