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Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Titel: Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Henschel
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die Abschlußzeremonie zu lange.
    Papa war auf Dienstreise. Von den Spielen hatte er sich kein einziges angekuckt. Papa hatte sowieso eigenwillige Fernsehgewohnheiten. Ganz selten Dick und Doof oder Charlie Chaplin oder Wickie und die starken Männer, meistens Tagesschau und immer alle Sendungen mit Kulenkampff. Der sah auch so ähnlich aus wie Papa, nur fröhlicher.
    Kurz vorm Anpfiff stellte sich raus, daß die Eckfahnen fehlten.
    Mama schob sich gerade die Sofakissen hinters Kreuz, als die Holländer schon einen Elfer zugesprochen kriegten, und bevor man überhaupt wußte, was da vor sich gegangen war, schoß Neeskens den Ball ins Tor, und wir waren die Angeschmierten.
    0:1 in der ersten Spielminute. »Ach du dicker Vater«, sagte Mama, die aber nur pro forma für Deutschland war. Ihr gefielen die Brasilianer besser. Jetzt mußten wir alles nach vorne werfen, sonst waren wir weg vom Fenster. Nicht daß die Holländer uns noch vernaschten. Aber 1954 gegen die Ungarn hatten wir sogar 0:2 zurückgelegen und trotzdem gewonnen.
    Der Schiedsrichter war ein Metzger aus Wolverhampton. Wenn er fair war, mußte er irgendwann auch uns einen Elfer geben. Das machte er dann auch, und nach dem Schuß von Breitner stand es 1:1.
    Johan Cruyff wurde von Berti Vogts gedeckt, das war gut.
    Kurz vor der Halbzeitpause kam Gerd Müller an den Ball, trickste drei Holländer aus und schoß das 2:1, aus der Drehung.
    »Nun mach aber mal halblang!« rief Mama, als ich jubelnd durchs Wohnzimmer sprang.
    Nach dem Halbzeitpfiff lief ich raus, um zu kucken, ob auch der Mallendarer Berg so leergefegt aussah wie der Rest von Deutschland während des Endspiels. Zumindest die TheodorHeuss-Straße sah in beiden Richtungen wie leergefegt aus. Die sah aber auch sonst immer wie leergefegt aus.
    In der zweiten Halbzeit wurde es brenzlig. Da waren die Holländer am Drücker. Sie hatten Torchancen noch und nöcher, und es standen einem die Haare zu Berge. Sepp Maier hatte alle Hände voll zu tun. Mit Glanzparaden verhinderte er den drohenden Ausgleich.
    Als Volker pissen ging, sicherte ich mir seinen Platz mit Lehne. Vorher hatte ich in der Sofamitte zwischen Wiebke und Mama sitzen müssen. Weggegangen, Platz vergangen.
    Das Endspiel dauerte und dauerte, aber dann kam der Schlußpfiff, und wir waren Weltmeister, zum ersten Mal seit zwanzig Jahren wieder! Weltmeister!
    Ich schnappte mir Volkers alten Fußball und lief damit nach draußen, um zu kicken. Die Theodor-Heuss-Straße sah immer noch wie leergefegt aus.
    Mama brachte mich nach Hannover, wo ich zehn Tage lang bleiben durfte. Tante Dagmar hatte das Endspiel nicht gesehen. Sie interessierte sich nicht für Fußball. Als ich von ihr wissen wollte, mit wem sie lieber verheiratet wäre, mit Gerd Müller oder mit Johan Cruyff, sagte sie, die würde sie alle beide von der Bettkante stoßen. »Mit Fußballern kannst du mich jagen!«
    In Hannover war Schützenfest. Tante Dagmar hatte einen Bekannten, Herrn Löffler, der alles bezahlte und noch lachte dabei. Achterbahn, Riesenrad, Würstchen, Cola, Geisterbahn, Amorbahn, Auto-Scooter und wieder Achterbahn. Allein für mich verpulverte der an dem Abend an die zwanzig Mark.
    Den Anordnungen des Personals ist Folge zu leisten.
    Wenn in der Achterbahn der Bügel einrastete, kriegte ich Gänsehaut. Dann ging es erst im Schneckentempo nach oben, ratter ratter ratter, aber dann auf einmal mit Lichtgeschwindigkeit in die Tiefe, und wenn die Achterbahn wieder hochfuhr, sackte einem der Magen bis in die Kniekehlen.
    An der Losbude gewannen wir nichts. »Pech im Spiel, Glück in der Liebe«, sagte Tante Dagmar. Sie sagte auch Sachen wie Blumenstrunz, Arschbecher, zum Bleistift und alles in Dortmund. Ihren Fotoapparat nannte sie Knipskiste.
    Im Funkhaus lief ich wieder auf Händen rum, um der alten Frau Leineweber zu imponieren, und einmal, bei großer Hitze, ging ich ins Freibad am Maschsee. Da wollte ein Mann den Rücken mit Sonnenmilch eingerieben kriegen und zahlte mir fünf Mark dafür, daß ich das machte.
    Tante Dagmar verlangte mir danach den feierlichen Schwur ab, nie wieder Geld von fremden Leuten anzunehmen, weder von alten Schwuliberts am Maschsee noch von sonstwem.
    Zu schaffen machte mir aber mehr, daß Gerd Müller seinen Rücktritt aus der Nationalmannschaft erklärt hatte. 68 Tore in 62 Spielen und dann aufhören, das wollte mir nicht in den Kopf. Auf dem einen Foto von der Siegesfeier hatte Gerd Müller noch mopsfidel in die Kamera gelacht, mit

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