Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
worden, angekettet, in Verliesen mit Stroh, so wie bei Richard Löwenherz. Einmal am Tag war ein Wächter gekommen, um den Gefangenen alte Brotkanten und einen Krug mit fauligem Wasser zu bringen.
Nach dem Ausflug hatte Renate eine Zecke im Oberschenkel. Die müsse man besoffen machen, sagte Papa. Er träufelte Spiritus auf das Hinterteil der Zecke, und dann zog er sie mit einer Pinzette raus.
Abends fuhr Papa auf den Mallendarer Berg, um im Rohbau Fenster einzusetzen und Leitungen zu verlegen.
Einmal klingelte Claudia bei uns, weil sie mir bei Stracks im Keller was zeigen wollte. Ich ging mit. Was Claudia mir zeigen wollte, war ihr Arschloch, und sie wollte auch meins sehen.
Claudia ließ den Rock runter und ich die Hose. Machen durfte man das bestimmt nicht, aber ich zog mir hinten die Bakken auseinander und versuchte, das Arschloch von Claudia zu erkennen, die mit dem Rücken zu mir stand und ihre eigenen Arschbacken auseinanderzog. Mir lief das Blut in den Kopf, und ich konnte nur sehen, daß Claudias Arschloch rot war.
Erst nachts im Bett fiel mir ein, daß es leichter gewesen wäre, wenn wir das nicht gleichzeitig gemacht hätten, sondern erst ich und dann Claudia, oder andersrum.
Im neuen Schuljahr gab uns Frau Kahlfuß Verkehrsunterricht. Rotes Auge heißt: bleib stehen! Keinen Schritt mehr weitergehen! Grünes Auge zeigt dir an: du kannst gehen, freie Bahn!
Für die Bastelstunde hatte Mama mir eine kleine stumpfe Schere mit grünen Griffen gekauft. Aus Bastelbögen sollten wir Muster ausschneiden und auf Papier mit Uhu neu zusammenkleben. Oben aus der Tube floß immer noch was raus, das man nicht mehr brauchte, und klebte am Tubenhals fest. Wenn es trocken war, konnte man’s abzupfen.
Gedichte, die wir aufgekriegt hatten, lernte ich erst auswendig, wenn andere sie aufsagten. Wer hat die schönsten Schäfchen? Die hat der goldne Mond, der hinter unsren Bäumen am Himmel droben wohnt. Wenn ich als dritter oder vierter aufgerufen wurde, konnte ich die Gedichte, aber dann nahm Frau Kahlfuß mich als ersten dran, und da konnte ich nichts. Das sei ihr nicht entgangen, sagte sie, daß ich zu faul sei, Gedichte zuhause auswendig zu lernen.
Dann mußte ich noch zum Rechnen an die Tafel und konnte schon wieder nichts. Frau Kahlfuß knallte mir eine, und ich mußte in der Ecke stehen, Gesicht zur Wand, bis die Stunde um war.
In Rechnen war ich nicht gut. Als wir 26 weniger 14 ausrechnen sollten, zog ich 10 von 20 ab, hatte noch 10 übrig, zog davon die 6 von den 26 ab, hatte noch 4 übrig, zog davon die restlichen 4 von den 14 ab und kam auf Null als Ergebnis, aber das war falsch, und Frau Kahlfuß strich mir das in meinem Rechenheft rot an.
Mama sagte, das sei eine Milchmädchenrechnung.
Besser war ich in Diktaten. So ist es bei Schlampinchen. Alles liegt durcheinander. Der Bleistift ist abgebrochen. Das Buch ist zerrissen. Das Heft ist schmutzig. Der Füller ist leer. Das Mäppchen ist offen. Die Schule ist aus. Es läutet. Die Kinder räumen auf. Den Bleistift in das Mäppchen, das Mäppchen in den Ranzen, den Ranzen auf den Rücken, schnell nach Hause!
Grundwörter und Bestimmungswörter. Dädalus und Ikarus. Oder Singen: Froh zu sein bedarf es wenig, und wer froh ist, ist ein König.
Zur Schluckimpfung mußten wir uns in einer langen Schlange aufstellen.
Schluckimpfung ist süß, Kinderlähmung ist grausam.
Die Becher waren aus Plastik und mußten nach dem Austrinken in einen Mülleimer geworfen werden.
Uwe ging jetzt auf dieselbe Schule wie ich, als Erstkläßler, und in den Pausen tat ich immer so, als ob ich Uwe noch nie gesehen hätte.
Einmal war es aber so verabredet, daß Herr Strack uns beide mit dem Auto von der Schule abholen sollte. Auf Uwe mußten wir lange warten. Herr Strack trommelte mit den Fingern aufs Lenkrad. Claudia saß hinten neben mir, blies die Haare hoch und lutschte an ihrem Tintenkiller.
Als ich einen Armvoll Schmutzwäsche nach unten bringen sollte, war in der Waschküche ein Feuersalamander, gelb und schwarz. Er saß in einer Wasserpfütze und ließ mich nicht aus den Augen.
Papa fing den Salamander ein und sperrte ihn in ein leeres Gurkenglas mit eingestanzten Luftlöchern im Schraubverschluß.
Dem Salamander gaben wir Fliegen von den Fensterbänken und Wurst zu essen. Ich wußte, wo ein Tümpel im Wald war, und da gingen wir mit der ganzen Familie hin. Papa trug das Glas. Als wir da waren, schraubte er den Deckel ab und hielt das Glas so hin, daß der Salamander
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